Zur Geschichte der Juden in Hameln

und in der Umgebung

 

Hessisch Oldendorf

 

Synagogengemeinde in Kurhessen
 

Lage und Größe:

An der „Grandkuhle“; am östlichen Stadtrand unterhalb des christlichen Friedhofs; ursprüngliche Einfriedung aus Sandsteinblöcken erhalten
482 qm

Bestand an Steinen:

41 Steine aus dem Belegungszeitraum 1835 bis 1934; ursprünglicher Bestand weitgehend erhalten; geringe Zerstörungsspuren

1944 genutzt für die Bestattung eines polnischen Zwangsarbeiters (mit Grabstein)

Daten zur Geschichte:

• Vorgängerfriedhof aus dem 17. Jahrhundert auf dem Nordwall; spurlos verschwunden

• 1828 Antrag der Stadt auf Aufhebung des alten Friedhofs

• 1832 Kauf des Geländes in der „Grandkuhle“ durch die jüdische Gemeinde

• 1938 teilweise Zerstörung

• 1988 Gedenkstein für den Vorgängerfriedhof auf dem Nordwall

• 2025 Aufstellung einer Erinnerungs- und Informationstafel

 

 

 
Bild
 

Informations- und Gedenktafel auf dem Jüdischen Friedhof Hessisch Oldendorf

 

Einen Vorgängerfriedhof gab es seit ca. 1675 am Nordwall. Der Pachtvertrag war 1828 auf Drängen der Stadt aufgehoben worden, weil ein Begräbnisplatz für Spaziergänger an diesem Ort „anstößig“ sei. Entgegen der Zusicherung der Stadt, die Grabsteine zu erhalten, sind diese heute verschwunden. 1988 wurde dort ein Gedenkstein gesetzt.

1832 kaufte die jüdische Gemeinde stattdessen die knapp 500 qm große „Grandkuhle“ deutlich außerhalb der Stadt. Eine erste Bestattung hatte es dort bereits 1830 gegeben. Gut einhundert Jahre lang – bis 1934 – bestattete die jüdische Gemeinde hier ihre Toten. Aus dieser Zeit haben sich 41 Steine erhalten.

1938 wurde der Friedhof von Nationalsozialisten zerstört. Über den genauen Zeitpunkt und den Umfang der Zerstörung ist nichts bekannt. Bei den Tätern soll es sich um heimische SA- und SS-Männer gehandelt haben.

1944 nutzten die deutschen Behörden den verwaisten Friedhof zur Bestattung eines katholischen Zwangsarbeiters aus Polen (Teofil Jedrzejczak, gest. 13. März 1944).

Zusammen mit seiner Umfassungsmauer und dem Tor weist der jüdische Friedhof von Hessisch Oldendorf heute ein vergleichsweise ursprüngliches und weitgehend ungestörtes Bild auf. Allerdings kann keine Aussage darüber getroffen werden, ob Steine durch die Zerstörung in der NS-Zeit verloren gegangen sind, da sich kein Belegungsplan erhalten hat.

„Seine/ihre Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens.“ So lautet die Schlussformel auf jedem jüdischen Grabstein. Nach jüdischem Religionsgesetz sind Gräber Ruhestätten für alle Zeiten – bis zum Kommen des Messias am Ende der Tage. Ein Friedhof ist Stätte der Ewigkeit.

 

Zur jüdischen Gemeinde von Hessisch Oldendorf

 

Juden lebten als Händler und Geldverleiher seit dem 14. Jahrhundert in Oldendorf, immer wieder allerdings unterbrochen durch Wegzug oder Vertreibung. Im 18. und 19. Jahrhundert stabilisierte sich das jüdische Leben. Der Erwerb von Hausbesitz war möglich. Eine Synagoge befand sich in einem von Christen bewohnten Haus. Zeitweise gab es auch eine jüdische Elementarschule. Nathan Peritz Lilienfeld wurde 1848 in den Stadtrat gewählt.

Im 19. und im beginnenden 20. Jahrhundert herrschten zumeist gutnachbarliche Beziehungen zwischen Christen und Juden. Die meisten Oldendorfer Juden waren Klein- und Viehhändler. Es gab einen bedeutenden Landhandel und ein Bank- sowie ein Textilgeschäft. Viele Juden waren Mitglieder in den örtlichen Vereinen.

Der Machtantritt der Nationalsozialisten 1933 änderte alles. Von Beginn an gab es Boykotte gegen die jüdischen Geschäfte, Fensterscheiben wurden eingeworfen. In der Nacht zum 10. November 1938 stürmten ortsansässige SS-Angehörige das Haus des Viehhändlers Löwenstein, plünderten die Einrichtung und misshandelten die Insassen.

Einigen Oldendorfer Juden gelang die Flucht aus Deutschland. Siebzehn Menschen jüdischen Glaubens, die in Oldendorf geboren worden waren und / oder längere Zeit dort gelebt hatten, fielen den Deportationen zum Opfer. Ihre Namen und Schicksale befinden sich auf der Rückseite dieser Tafel.

Vor fünf Häusern der Langen Straße wurden 2021 und 2022 insgesamt 17 Stolpersteine des Künstlers Gunter Demnig verlegt.

 

Die Namen und Schicksale der deportierten Oldendorfer Juden

 

Emma Anspacher, geb. Löwenstein, geb. 1896 in Oldendorf, wurde am 18. November 1941 aus Verden in das Ghetto Minsk deportiert und dort am 29. Juli 1942 ermordet.

Margarethe Anspacher, geb. Löwenstein, geb. 1906 in Oldendorf, wurde am 18. November 1941 aus Verden in das Ghetto Minsk deportiert und dort ermordet.

David Blumenthal, geb. 1877 in Oldendorf, wurde 1942 aus Bielefeld ins Vernichtungslager Auschwitz verschleppt und dort ermordet.

Jenny Blumenthal, geb. Hecht, geb. 1874 in Bad Salzuflen, wurde 1942 ins Ghetto Warschau deportiert und dort ermordet.

Julie Blumenthal, geb. Sternberg, geb. 1866 in Erwitte, wurde 1942 aus Wuppertal ins Ghetto Theresienstadt deportiert und am 21. September 1942 im Vernichtungslager Treblinka ermordet.

Julius Blumenthal, geb. 1887 in Schmalförden, wurde am 15. Dezember 1941 aus Hannover ins Ghetto Riga verschleppt und dort ermordet.

Lina Blumenthal, geb. Grünewald, geb. 1879 in Nieheim, wurde 1942 aus Bielefeld ins Vernichtungslager Auschwitz verschleppt und dort ermordet.

Louis Blumenthal, geb. 1875 in Oldendorf, wurde 1942 ins Ghetto Warschau deportiert und dort ermordet.

Martha Blumenthal, geb. 1914 in Oldendorf, wurde 1942 aus Oldendorf ins Ghetto Warschau deportiert und dort ermordet.

Rosa Blumenthal, geb. Pinkus, geb. 1889 in Märkisch Friedland, wurde am 15. Dezember 1941 aus Hannover in das Ghetto Riga verschleppt und dort ermordet.

Emma Herzfeld, geb. Blumenthal, geb. 1860 in Oldendorf, wurde 1942 aus Berlin ins Ghetto Theresienstadt verschleppt und am 29. September 1942 im Vernichtungslager Treblinka ermordet. Martha Herzfeld, geb. Wolfes, geb. 1871 in Oldendorf, wohnhaft in Köln, wählte am 13. Juni 1942 angesichts der drohenden Deportation den Freitod.

Adolf Löwenstein, geb. 1898 in Oldendorf, wurde am 9. November 1938 ins KZ Buchenwald verschleppt und starb nach seiner Rückkehr im April 1939 an den Folgen der Misshandlungen, die ihm dort zugefügt worden waren.

Minna Rosenfeld, geb. Löwenstein, geb. 1890 in Oldendorf, wurde am 10. November 1941 über Düsseldorf ins Ghetto Minsk deportiert und dort ermordet.

Bertha Rosenthal, geb. 1872 in Schwerte, wohnhaft in Oldendorf, seit Juni 1938 im jüdischen Altersheim Emden, wurde am 24. Oktober 1941 ins Ghetto Lodz deportiert und starb dort am 12. Februar 1942.

Minna Rosenthal, geb. 1866 in Schwerte, wohnhaft in Oldendorf, seit Juni 1938 im jüdischen Altersheim Emden, wurde am 24. Oktober 1941 ins Ghetto Lodz deportiert und am 14. Mai 1942 im Vernichtungslager Chelmno ermordet.

Ida Scheiberg, geb. Blumenthal, geb. 1866 in Oldendorf, wurde 1942 aus Hannover ins Ghetto Theresienstadt deportiert und am 23. September 1942 im Vernichtungslager Treblinka ermordet. Anna Johanna Stern, geb. Blumenthal, geb. 1905 in Oldendorf, wohnhaft in Bad Rehburg und Bad Salzuflen, wurde am 30. September 1939 im Gefängnis Ratibor inhaftiert, 1942 ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert und ermordet.

 

Recherche: Erik Hoffmann und Bernhard Gelderblom

Text: Bernhard Gelderblom

 
Bild