Zur Geschichte der Juden in Hameln

und in der Umgebung

 

Hameln

 

Das ursprünglich außerhalb der stark befestigten Stadt gelegene Friedhofsgrundstück nutzten die Hamelner Juden über den langen Zeitraum von fast 200 Jahren. Nach seiner Zerstörung 1938 war der Friedhof 60 Jahre lang verwaist.

Seit 1998 nutzt die Jüdische Kultusgemeinde Hameln-Pyrmont eine unbelegte Fläche des Friedhofs, während sich die Liberale Jüdische Gemeinde Hameln eine Begräbnisstätte auf dem städtischen Friedhof Am Wehl geschaffen hat.

 

Hameln 1 – Scharnhorststraße

 

Synagogengemeinde im Landrabbinat Hannover
 

Lage und Größe:

Ecke Scharnhorststraße / Sandstraße
2001 qm von ursprünglich 2126 qm

Bestand an Steinen:

• 173 Steine aus einem Belegungszeitraum von 1741 bis 1937; Rest aus einem größeren Bestand; zahlreiche leere Grabfelder und Sockel

• ca. 80 Steine auf dem bis 1998 unbelegten westlichen Gräberfeld, auf dem laufend weiter bestattet wird

Daten zur Geschichte:

• 1743 Gründung des Friedhofs „am Sandfelde“ außerhalb der weitläufigen Festungsanlagen der Stadt in östlicher Richtung. Friedhof der Synagogengemeinde Hameln im Landrabbinat Hannover; heute im Besitz des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen, seit 1998 von der jüdischen Kultusgemeinde Hameln-Pyrmont belegt und gepflegt Der Vorgängerfriedhof hatte innerhalb der Stadtmauern gelegen und war 1761/62 dem Ausbau Hamelns zur Landesfestung zum Opfer gefallen.

• 1880 Erweiterung des Geländes in Richtung Westen und Schaffung eines neuen Zugangs von Norden (Scharnhorststraße)

• 1908 Erlass einer neuen Friedhofsordnung, die Familien- und Erbbegräbnisse gestattet

• 1916 Anlage der nicht geosteten Ehrenreihe mit übergroßen Grabfeldern und besonders prächtigen Steinen, ein Abweichen vom Gebot der Einfachheit und Gleichheit im Tode

• Seit 1933 Bestattungen nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit und zu allermeist ohne Steinsetzung (Weigerung Hamelner Steinmetze, Grabsteine für Juden anzufertigen)

• 1938 totale Zerstörung des Friedhofs, u.a. durch Männer aus den umliegenden Häusern

• 1943 Verpachtung des Geländes und Verkauf des gesamten Bestandes an Steinen durch die „Reichsvereinigung der Juden in Deutschland“ an einen Hamelner Steinmetzen zur Weiterverwendung, die jedoch unterblieb

• 1946 Wiederaufrichtung der unversehrt gebliebenen Steine auf Weisung der Besatzer und vereinzelte Neuanfertigungen zerstörter Steine; Verlust von 80-100 Steinen; Steinschutt für den Wegebau auf dem Friedhof Am Wehl verwendet

• 1963 auf Drängen der Stadt geschaffener „Sichtwinkel“ im Nordosten des Friedhofs (damit die Autos besser um die Ecke kommen); Pläne der Stadt, den Friedhof „unter Erhaltung einzelner Grabsteine“ in einen öffentlichen Park umzuwandeln, vom Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen verhindert

• 1998 Gründung der jüdischen Kultusgemeinde Hameln-Pyrmont; seitdem erneute Bestattungen auf dem bisher unbelegten westlichen Gräberfeld

• 2021 Aufstellung einer Erinnerungs- und Informationstafel

 

 

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oben links: Übersicht von Osten vom alten in den jüngeren Teil des Friedhofs
oben rechts: Stein eines Leviten (Hilfspriester) mit dem Symbol der Kanne von 1765
unten: Ehegattenstein aus der Ehrenreihe im Wilhelminischen Stil von 1916/1919
Alle Fotos Gelderblom 2021

 

 

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oben links: 2001 gesetzter Stein für den hochverehrten Arzt Dr. Siegmund Kratzenstein Kratzenstein starb 1938 an den Folgen des Aufenthalts im KZ Buchenwald
Foto 2007
oben rechts: Blick auf das Gräberfeld der 1998 neugegründeten Kultusgemeinde, deren Mitglieder aus der ehemaligen Sowjetunion stammen
unten: Einweihung der Erinnerungs- und Informationstafel im Jahre 2019
Alle Fotos Gelderblom

 

Lit.:

Bernhard Gelderblom, Die Juden von Hameln von ihren Anfängen im 13. Jahrhundert bis zu ihrer Vernichtung durch das NS-Regime. Anhang: Dokumentation der Grabsteine des jüdischen Friedhofs erstellt von Berndt Schaller zusammen mit Bernhard Gelderblom, Holzminden 2012, S. 176-295

Bernhard Gelderblom, Der Hamelner jüdische Friedhof als Teil der Stadtgeschichte und als Lernort, in Historische jüdische Friedhöfe. Gefährdung und Vermittlung komplexer Orte des Erinnerns, hg. von Juliane Hummel und Katrin Keßler. Jüdisches Kulturerbe Bd. 4, Braunschweig 2024, S. 59-74

 

Hameln 2 – Jüdische Begräbnisstätte auf dem Friedhof Am Wehl

 

Lage und Größe:

Auf dem Gelände des städtischen Waldfriedhofs Am Wehl
950 qm

Bestand an Steinen:

Stand 2025 ca. 40; wird laufend weiter belegt

Daten zur Geschichte:

2001 von der seit 1997 bestehenden Liberalen jüdischen Gemeinde Hameln gegründet; im Besitz der Stadt Hameln

 

 

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links: Überblick
rechts: Widmungsstein
Beide Fotos Gelderblom 2024

 
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