Zur Geschichte der Juden in Hameln

und in der Umgebung

 

Der jüdische Friedhof in Bisperode

 

Im 19. Jh. zeitweiliger Wohnort einzelner jüdischer Familien im Bereich des Landrabbinats Braunschweig
 

Lage und Größe:

 

an der südlichen Ausfallstraße in Richtung Harderode und Halle; am östlichen Rande des christlichen Dorffriedhofes; keine eigenständige Friedhofsanlage

Bestand an Steinen:

 

2 Steine von Ehegatten (1866 und 1901)

Daten zur Geschichte:

 

1938 nicht zerstört
ursprünglich aufrecht stehende Steine, heute liegend

 

Eine besondere Situation liegt in Bisperode vor. Dort hatte nur eine jüdische Familie gelebt. Für die Einrichtung eines jüdischen Friedhofes gab es deswegen keinen zureichenden Anlass. Die beiden Grabsteine der Familie Spiegelberg befinden sich auf dem 1840 angelegten christlichen Dorffriedhof. Das entspricht nicht dem jüdischen Ritualgesetz, das Bestattungen in "reinem" Boden verlangt, und ist auch aus christlicher Sicht außergewöhnlich.

Die Inschriften der beiden Grabsteine lautet:

 

Hier ruhet sanft
der Kaufmann Moses Spiegelberg
geb. d. 11. Mai 1815
gest. d. 22. Mai 1866
Die Seligkeit, die Vater Du
gehofft, sie wird dir werden, denn
eine Zukunft giebs und deine
Hoffnung wird nicht abge-
schnitten.

Hier ruhet Frau
Esther Spiegelberg
geb. Wolfes
geb. April 1827
gest. 17. Febr. 1901
Schlicht, gerade und
gottesfürchtig
Hiob 1

 

Die beiden Grabsteine aus den Jahren 1866 und 1901 liegen heute am Rande des christlichen Friedhofes. Sie sollen nach Aussagen von Zeitzeugen ursprünglich noch etwas weiter in Richtung Zaun gestanden haben, und zwar am Beginn der früher weniger geneigten Böschung. Die kleine Familiengrabstelle, die ein gusseiserner Zaun umgab, war also von den christlichen Gräbern deutlich abgesetzt. Die Gräber waren aber immer von der Hecke, die den Friedhof früher umfasste, umschlossen und insofern Teil des christlichen Friedhofes. Es handelt sich um Stelen, aufrecht stehende Steine, die ursprünglich rechtwinklig zur Straße, also geostet, gestanden haben.

Die Tatsache, dass die Eheleute Spiegelberg auf dem christlichen Friedhof bestattet sind, kann als ein Hinweis auf die gelungene Integration in das Dorf gewertet werden. Die beiden hatten ihr Leben lang in Bisperode gelebt und gearbeitet. Nun wollten sie auch in diesem Dorfe bestattet werden.

 
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Der Text der Erinnerungstafel:

 
Die beiden Grabsteine der Eheleute Spiegelberg

Jüdische Grabsteine auf einem christlichen Friedhof? Dasentspricht nicht dem jüdischen Ritualgesetz und ist auch aus christlicher Sichtungewöhnlich.

In Bisperode hat es nie einen jüdischen Friedhof gegeben.Die beiden Grabsteine der Eheleute Spiegelberg standen ursprünglich außerhalb diesesFriedhofes, an der Böschung zur Straße, die nach Harderode führt. Die kleineFamiliengrabstätte war mit einem gusseisernen Zaun umgeben. Während derPogromnacht des 9. November 1938 zerstörten Nationalsozialisten die Grabsteinealler jüdischen Friedhöfe der Umgebung, allein diese hier blieben vomVandalismus verschont.

Nach dem Kriege rückte man die beiden Steine um einige Meterauf das Gelände des christlichen Friedhofes und legte sie flach auf den Boden. Inzwischenhaben sie – wieder aufgerichtet – im Eingangsbereich des Friedhofes einenwürdigen Platz gefunden, so dass auch ihr hebräischer Text auf der Rückseite sichtbarist.

Diejüdische Kaufmannsfamilie Spiegelberg lebte spätestens seit 1781 in Bisperode,denn in diesem Jahr wurde Jacob Spiegelberg hier geboren. Die Familie kam vermutlichaus dem nahen Lauenstein, wo sie schon länger ansässig war. Im Jahre 1850kaufte Jacobs Sohn Moses das Haus Voremberger Straße 11 als Wohn- undGeschäftshaus. Mit seiner Ehefrau Esther, geb. Wolfes, hatte er fünf Kinder.Zum Gottesdienst musste Moses in das zwölf Kilometer entfernte Halle gehen,weil es in Bisperode keine Synagoge gab.

Als Moses Spiegelberg 1866 starb und seine Ehefrau Esther1901, fanden beide am Rande des christlichen Friedhofes ihr Grab. Da sie ihrLeben lang in Bisperode gewohnt und gearbeitet hatten, wollten sie auch hierbestattet werden.

Eine Tochter der Eheleute, die 1863 in Bisperode geboreneElise Spiegelberg, verheiratete Rudnicki, wurde im Juli 1942 als 79-Jährige auseinem Berliner Altersheim in das Ghetto Theresienstadt deportiert und starbdort am 5. September 1942.

Nachkommen der Familie leben heute in Deutschland, England, Frankreich,Australien, Kanada und in der Südafrikanischen Union.

 

Zu weiteren Einzelheiten vergleiche:

Bernhard Gelderblom, Jüdisches Leben im mittleren Weserraum, Holzminden 2003

 
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