Zur Geschichte der Juden in Hameln
und in der Umgebung
Bisperode
Eine singuläre Ausnahme bilden die beiden jüdischen Grabsteine auf dem christlichen Friedhof Bisperode. |
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Lage und Größe: |
Im Eingangsbereich des christlichen Dorffriedhofs; an der Langen Straße (südöstliche Ausfallstraße in Richtung Harderode und Halle) keine eigenständige jüdische Friedhofsanlage |
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Bestand an Steinen: |
2 formgleiche Steine von Ehegatten (1866 und 1901) |
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Daten zur Geschichte: |
• Bisperode: Im 19. Jahrhundert zeitweise Wohnort einzelner jüdischer Familien aus dem Nachbarort Halle, zum Landrabbinat Braunschweig gehörend • Ursprünglich am Rand des christlichen Friedhofs an der Böschung zur Straße aufgestellt und von einem Eisenzaun umgeben • In der NS-Zeit nicht zerstört • Nach dem Zweiten Weltkrieg um einige Meter auf das Gelände des Dorffriedhofs gerückt und zu ihrem Schutz zeitweise auf den Boden gelegt • 2010 Aufrichtung der Steine und Aufstellung einer Erinnerungs- und Informationstafel (Text Bernhard Gelderblom) |
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lniks: Besuch von Angehörigen aus Kanada (2009)
rechts: Bernhard Gelderblom bei der Einweihung der Erinnerungs- und Informationstafel (2010)
Fotos Gelderblom
Text der Erinnerungs- und Informationstafel
Die beiden Grabsteine der Eheleute Spiegelberg
Jüdische Grabsteine auf einem christlichen Friedhof? Das entspricht nicht dem jüdischen Ritualgesetz und ist auch aus christlicher Sicht ungewöhnlich.
In Bisperode hat es nie einen jüdischen Friedhof gegeben. Die beiden Grabsteine der Eheleute Spiegelberg standen ursprünglich außerhalb dieses Friedhofes, an der Böschung zur Straße, die nach Harderode führt. Die kleine Familiengrabstätte war mit einem gusseisernen Zaun umgeben. Während der Pogromnacht des 9. November 1938 zerstörten Nationalsozialisten die Grabsteine aller jüdischen Friedhöfe der Umgebung, allein diese hier blieben vom Vandalismus verschont.
Nach dem Kriege rückte man die beiden Steine um einige Meter auf das Gelände des christlichen Friedhofes und legte sie flach auf den Boden. Inzwischen haben sie – wieder aufgerichtet – im Eingangsbereich des Friedhofes einen würdigen Platz gefunden, so dass auch ihr hebräischer Text auf der Rückseite sichtbar ist.
Die jüdische Kaufmannsfamilie Spiegelberg lebte spätestens seit 1781 in Bisperode, denn in diesem Jahr wurde Jacob Spiegelberg hier geboren. Die Familie kam vermutlich aus dem nahen Lauenstein, wo sie schon länger ansässig war. Im Jahre 1850 kaufte Jacobs Sohn Moses das Haus Voremberger Straße 11 als Wohn- und Geschäftshaus. Mit seiner Ehefrau Esther, geb. Wolfes, hatte er fünf Kinder. Zum Gottesdienst musste Moses in das zwölf Kilometer entfernte Halle gehen, weil es in Bisperode keine Synagoge gab.
Als Moses Spiegelberg 1866 starb und seine Ehefrau Esther 1901, fanden beide am Rande des christlichen Friedhofes ihr Grab. Da sie ihr Leben lang in Bisperode gewohnt und gearbeitet hatten, wollten sie auch hier bestattet werden.
Eine Tochter der Eheleute, die 1863 in Bisperode geborene Elise Spiegelberg, verheiratete Rudnicki, wurde im Juli 1942 als 79-Jährige aus einem Berliner Altersheim in das Ghetto Theresienstadt deportiert und starb dort am 5. September 1942.
Nachkommen der Familie leben heute in Deutschland, England, Frankreich, Australien, Kanada und in der Südafrikanischen Union.
Text: Bernhard Gelderblom
Lit.:
Bernhard Gelderblom, Jüdisches Leben im mittleren Weserraum zwischen Hehlen und Polle, Holzminden 2003, S. 185f
