Zur Geschichte der Juden in Hameln
und in der Umgebung
Bad Pyrmont
Die beiden Friedhöfe von Bad Pyrmont
Der zentral gelegene große Friedhof des ehemaligen Fürstentums Waldeck bot den Pyrmonter, Holzhäuser und Oesdorfer Juden über mehrere Jahrhunderte eine Ruhestätte. Nach seiner widerrechtlichen Schließung in der NS-Zeit (1935) mussten die Pyrmonter Juden auf eine Ersatzfläche weit außerhalb der Stadt ausweichen.
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Bad Pyrmont 1 – Bombergallee |
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Lage und Größe: |
Am nördlichen Rand der Stadt an der Bombergallee (vor der Kreuzung mit der Bismarckstraße) 1252 qm |
Bestand an Steinen: |
79 Steine (Belegungszeitraum 1889-1932) aus einem deutlich größeren Bestand (ursprünglich ca. 200) |
Daten zur Geschichte: |
• 1788 gegründet als Geschenk des Fürsten Friedrich zu Waldeck-Pyrmont; Eigentum der Synagogengemeinde Pyrmont im Fürstentum Waldeck-Pyrmont • 1832 durch Ankauf auf 1252 qm erweitert • 1934 unter dem Vorwand, die städtischen Heilquellen schützen zu müssen, durch den Pyrmonter NS-Bürgermeister Zuchold eigenmächtig geschlossen; Einrichtung einer Ersatzfläche weit außerhalb der Stadt • 1938 durch SA zerstört • anschließend auf Anordnung des Bürgermeisters eingeebnet; etwa 120 Steine zu Straßenschotter zerschlagen und in der Gustav-Beermann-Straße als Packlage verwendet; die restlichen 80 Steine umgestürzt, in Mulden gelegt und mit Erde bedeckt • 1946 Einrichtung eines öffentlichen Parks • 1948 dekorative Aufstellung von 22 Grabsteinen an der westlichen Friedhofsmauer und Einweihung einer „Gedenk- und Weihestätte“ mit Inschrift: „Dem Andenken ihrer jüdischen Mitbürger / Die Stadt Bad Pyrmont“ • 1996 Ausgrabungen auf Initiative des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen durch den Arbeitskreis Jüdischer Friedhof; Wiederaufstellung von 57 Grabsteinen • 1997 Rückübereignung des Geländes an den Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen • 1997 Aufstellung einer Erinnerungs- und Informationstafel (Text Heinrich Rostmann) |

Der Friedhof vor der Zerstörung
Sammlung Heinrich Rostmann

Das Gelände seit 1946 als öffentlicher Park und ohne Grabsteine
Foto 1989 Gelderblom


Nach der Wiederherstellung des Friedhofs 1996/97
Fotos 2002 Gelderblom
Erinnerungs- und Informationstafel der beiden jüdischen Friedhöfe in Bad Pyrmont
Der jüdische Friedhof an der Bombergallee mit etwa zweihundert Gräbern, nachweisbar seit 1788, wurde 1934 auf Anordnung des Bürgermeisters Hans Zuchhold geschlossen und der Stadt übereignet. Als Tauschobjekt für den 1.250 qm großen Friedhof erhielt die Gemeinde einen 400 qm großen Friedhof „Am Helsen“, weit außerhalb der Stadt, der 1936/37 mit vier Grabstätten belegt wurde. Bürgermeister Zuchhold beteiligte die jüdische Gemeinde an der Schließung und Einebnung, indem er seine Anordnungen in Vertragsform kleidete und sie dann vor einem Notar von dem Vorsitzenden der Gemeinde „genehmigen und unterschreiben“ ließ (Tauschvertrag vom 8.4.1934 und Übereignungsvertrag vom 17.11.1938). Die Übereignung des Friedhofs „Am Helsen“ durch Vertrag vom 17.11.1938 erfolgte nach der Schändung des Friedhofes am 9. November 1938 und der unmittelbar danach erfolgten „Einebnung“.
In der Pogromnacht schändete die SA den alten Friedhof. Am 12. November 1938 erhielt Stadtbaumeister Rudolf Schätte von Bürgermeister Hans Zuchhold den Auftrag, den Friedhof einzuebnen. Etwa 100 bis 120 Steine wurden zerschlagen und als Straßenschotter verwendet. Etwa 80 Steine wurden auf Anordnung von Walter Fink, seinerzeit Dipl.-Ing. im Bauamt, auf ihren Grabstätten in 30 bis 50 cm tiefe Mulden gelegt und mit Erde bedeckt. „Am Helsen“ entfernte man die 4 Steine von ihren Standorten, zerschlug sie aber nicht, so daß sie nach 1945 wieder aufgestellt und der Friedhof renoviert werden konnte.
1946 erhielten Stadtbaumeister Schätte (im gleichen Jahr pensioniert) und sein Nachfolger Walter Fink, nun Baurat, den Auftrag, den alten Friedhof wieder herzurichten. Sie berichteten, die Steine seien so sehr beschädigt, dass das nicht möglich sei, und stellten damit die Weichen für die Entscheidung des Rates, auf dem Friedhof eine „Gedenk- und Weihestätte“ zu errichten. Die Einweihung erfolgte am 7.11.1948. Ein Gedenkstein erhielt die Inschrift: „Dem Andenken ihrer jüdischen Mitbürger / Die Stadt Bad Pyrmont“. 23 bereits freigelegte Steine entfernte man von ihren Standorten und stellte sie entlang der Friedhofsmauer auf, „damit das Gelände besser gepflegt werden kann“.
Durch einen Vergleich vom 26.11.1952 zwischen Stadt und der Jewish Trust Corporation erhielt der Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen das Eigentum am Friedhof „Am Helsen“ zurück.
Bis 1996 gab es keine Veränderungen auf den Friedhöfen. Baurat a.D. Walter Fink – von 1989 bis zu seinem Tode 1991 Stadtarchivar – entwickelte eine Legende: Der Friedhof an der Bombergallee sei schon 1929 aus Gründen des Quellenschutzes und wegen Ablauf der Ruhefristen geschlossen worden. Er leugnete die Schändung in der Pogromnacht. Die Einebnung im November 1938 sei nur zufällig zu diesem Zeitpunkt geschehen.
Nach Erforschung der Geschichte des alten Friedhofes erfolgte 1996/97 auf Initiative des Landesverbandes und der „Arbeitsgruppe Jüdischer Friedhof“ seine teilweise Wiederherstellung. Auch russisch-jüdische Emigranten halfen bei den Ausgrabungen. Die Stadt stellte Arbeitskräfte zur Verfügung und beteiligte sich an der Finanzierung. Nun stehen wieder 79 Grabsteine auf dem Friedhof. Die nach Südosten ausgerichteten stehen auf ihren ursprünglichen Standorten, alle anderen, deren ursprüngliche Standorte aufgrund fehlender Lagepläne nicht mehr festgestellt werden konnten, zeigen nach Süden.
Im Dezember 1996 veranlasste Bürgermeister Demuth die Übereignung des alten Friedhofes an den Landesverband (Vertragsabschluss am 6.5.1997). Die beiden jüdischen Friedhöfe sind die wichtigsten Zeugnisse, die an die ehemalige jüdische Gemeinde in Bad Pyrmont erinnern.
Text Heinrich Rostmann
Bad Pyrmont 2 – Am Helsen |
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Lage und Größe: |
Am Helsen; extrem weit außerhalb der Stadt in nördlicher Richtung (Anfahrt über die Straße Am Schellenhof) 400 qm |
Bestand an Steinen: |
4 Steine aus dem Belegungszeitraum 1935-1937 |
Daten zur Geschichte: |
• 1935 als Ersatzfläche für den widerrechtlich geschlossenen Friedhof an der Bombergallee von der Stadt Bad Pyrmont neu angelegt • 1938 Entfernung der Grabsteine und Enteignung des Grundstücks • 1945 Wiederaufstellung der Grabsteine, die alle unversehrt überdauert haben • 1952 Übergabe an den Landesverband der jüdischen Gemeinden von Niedersachsen • 2021 Aufstellung einer Erinnerungs- und Informationstafel zusammen mit der Herder-Schule Bad Pyrmont (Text Bernhard Gelderblom) |

Der Friedhof in der Landschaft von Westen gesehen
Foto Gelderblom 2015


Das Innere
Fotos Gelderblom 2015
Erinnerungs- und Informationstafel auf dem jüdischen Friedhof Am Helsen
1934, ein Jahr, nachdem Hitler an die Macht gekommen war, hatte der Pyrmonter Bürgermeister Hans Zuchold den jüdischen Friedhof an der Bombergallee unter dem Vorwand, die städtischen Heilquellen schützen zu müssen, eigenmächtig geschlossen. Im „Tausch“ für den 1.250 qm großen Friedhof an der Bombergallee erhielt die jüdische Gemeinde diese 400 qm große Ersatzfläche „Am Helsen“, weit außerhalb der Stadt.
In der Zeit von 1935-1937 wurden hier vier Pyrmonter Juden bestattet.
Johanna Bock, geb. Grunsfeld, geb. 8. März 1849, gest. 15. Dezember 1935
Dr. Siegesmund Markus, geb. 30. November 1846 in Berlin, gest. 17. November 1936
Leopold Neuhoff, geb. 2. Oktober 1859 in Meschede, gest. 24. Februar 1936
Therese Bernstein, geb. 19. September 1858 in Winsen/Luhe, gest. 7. Januar 1937
In der Pogromnacht 1938 zerstörten die Nationalsozialisten beide Friedhöfe.
In den Folgejahren flohen viele jüdische Bürger aus Bad Pyrmont; zahlreiche wurden deportiert und ermordet; nur wenige Überlebende kehrten nach 1945 zurück.
Da sich die Grabsteine erhalten hatten, konnte dieser Friedhof nach 1945 wieder hergestellt werden. Der Friedhof an der Bombergallee, der 1948 nur notdürftig restauriert worden war, wurde erst 1997 weitgehend in seinen alten Zustand versetzt.
Nach jüdischem Religionsgesetz sind Gräber Ruhestätten für alle Zeiten. Ein Friedhof ist Stätte der Ewigkeit, „Haus des Lebens“. Jüdische Gräber dürfen nicht eingeebnet werden.
Text: Bernhard Gelderblom