Zur Geschichte der Juden in Hameln

und in der Umgebung

 

Coppenbrügge

 

Coppenbrügge war selbstständige Synagogengemeinde im Landrabbinat Hannover. Die Gemeinde umfasste auch die Orte Brünnighausen und Hohnsen. Synagoge und Friedhof befanden sich in Coppenbrügge.
 

Lage und Größe:

An der Dammstraße (= Bundesstraße 1) am südlichen Rand des Ortszentrums ca. 1000 qm von ursprünglich
1464 qm

Bestand an Steinen:

Keine; laut Belegungsliste von 1936 64 Grabsteine

Daten zur Geschichte:

• Bestattungen seit 1787 auf einem von der Domäne zur Verfügung gestellten Gelände; Probleme durch Beweidung

• 1836 Kauf des Geländes durch die jüdische Gemeinde und Einfriedung

• 1842 Aufstellung der beiden Torpfosten (Inschrift „Haus der Lebenden“); Zuwegung von Osten

• 1937 letzte Bestattung und Schließung des Friedhofes auf Druck von Bürgermeister und Landrat durch den Regierungspräsidenten Hitler benutzte die Ortsdurchfahrt auf seiner jährlichen Fahrt anlässlich der Reichserntedankfeste am Bückeberg. Friedhof Hameln vom Regierungspräsidenten als Ersatzfriedhof bestimmt

• Mai 1938 eigenmächtige Einebnung des Friedhofes durch den Bürgermeister bis auf 4 Grabstellen, deren Ruhefrist noch nicht abgelaufen war; Verwendung der Steine als Straßenschotter zum Unterbau der heutigen Beckmannstraße und der Kantsteine bei der Erweiterung des christlichen Friedhofes; Umsetzung der Eingangspfosten auf den christlichen Friedhof

• 1938 in der Pogromnacht Zerstörung der restlichen 4 Steine durch SA aus Coppenbrügge

• 1943 Verkauf des Grundstücks durch die „Reichsvereinigung der Juden in Deutschland“ an den Bürgermeister von Coppenbrügge als Privatbesitz • 1953 Rückerstattung gerichtlich abgewiesen (Grundstück angeblich im Verkaufswert unter 1000 DM)

• 1962 Neugestaltung der Fläche als Friedhof auf Kosten des Landes Niedersachsen; vergebliche Versuche des Landesverbandes, das Gelände zu kaufen; stattdessen Verpachtung des weiter im Privatbesitz sich befindenden Geländes an den Flecken und Unterverpachtung eines Teilstückes an den Landesverband zur Aufstellung eines Gedenksteins (Bedingungen seitens der politischen Gemeinde: Erhaltung des über den Friedhof führenden Wegs zur benachbarten Schule sowie Abtrennung eines schmalen Streifens des Friedhofes zugunsten des Schulhofes)

• 1977 Kauf der Fläche durch den Flecken Coppenbrügge bei gleichzeitiger Abtrennung des östlichen Teils zur Errichtung einer Bushaltestelle

• 1998 Übergabe des restlichen Friedhofsgrundstücks an den Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen; Rückgabe der alten Torpfosten und Installation einer Erinnerungs- und Informationstafel (Text Bernhard Gelderblom)  

 

 

 
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Text der Tafel auf dem jüdischen Friedhof von Coppenbrügge
 

Auf diesem Friedhof haben die Juden aus Coppenbrügge,Brünnighausen und Hohnsen seit 1787 ihre Toten bestattet. 1937 wurde mit Meir Adler der letzte Jude beigesetzt.

In der Zeit des Nationalsozialismus – im Mai 1938 – hat dieGemeinde Coppenbrügge den Friedhof mit seinen über 60 Grabsteinen einebnenlassen. Die letzten vier Grabsteine, die damals stehen geblieben waren, habenSA-Männer aus Coppenbrügge am 9. November 1938 zerschlagen, dem Tag, als inDeutschland die Synagogen brannten. Das Grundstück wurde dann von einemPrivatmann gekauft und als Wiese genutzt. 1977 erwarb die Gemeinde Coppenbrüggeden Friedhof.

Es dauerte 60 Jahre, bis 1998 der Friedhof in verkleinerterGestalt durch die Gemeinde Coppenbrügge wieder in jüdische Hände zurückgegebenwurde.

Nach jüdischen religiösen Gesetzen sind Gräber Ruhestättenfür alle Zeiten. Ein Friedhof ist Stätte der Ewigkeit, „Haus des Lebens“.
 

Im Gedenken an jene Bürger von Coppenbrügge, die als Deutsche jüdischen Glaubens hier nichtbegraben werden konnten, sondern in der Zeit des Nationalsozialismusverschleppt und ermordet wurden:

Erich Levy, geb. am3.12.1886 in Coppenbrügge,
deportiert nach Riga, verschollen

Lieschen Levy, geb.Adler, geb. am 28.5.1889 in Coppenbrügge,
deportiert nach Riga, verschollen

Oskar Levy, geb. am2.10.1882 in Coppenbrügge,
deportiert nach Riga, verschollen

Ruth Levy, geb. am7.11.1911 in Coppenbrügge,
deportiert nach Riga, verschollen

Ernst Rothstein, geb.am 9.8.1881 in Coppenbrügge,
deportiert nachAuschwitz, verschollen

Bertha Spiegel, geb.am 26.6.1865 in Coppenbrügge,
deportiert nachTheresienstadt, gestorben am 18.9.1942.

„Ihre Seelen mögen eingebunden sein in das Bündel des ewigen Lebens“

 

Text Bernhard Gelderblom

 

Lit.:

Bernhard Gelderblom, Die Beseitigung der jüdischen Friedhöfe in der Kleinstadt Bad Münder (Landkreis Springe) und im Flecken Coppenbrügge (Landkreis Hameln-Pyrmont) – als Beispiele für das Zusammenspiel von behördlicher Willkür und persönlicher Habgier, in: Juden in Niedersachsen 1938-1945. Forschungsansätze und Forschungsdesiderate. Tagung in Hannover 24.-25. März 2011, hrsg. vom Arbeitskreis Geschichte der Juden in der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen, Hannover 2011, S.62-66

Bernhard Gelderblom, Die Juden von Coppenbrügge, Holzminden 2016, passim

 
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