Hameln in der NS-Zeit

 

Zwangsarbeit in Hameln - Kriegsgefangene und Zivilarbeiter im Arbeitseinsatz

Ein Überblick

 

Während des Krieges arbeiten in Deutschland bis zu 7,7 Millionen Zwangsarbeiter. 26% aller Arbeitskräfte sind Zwangsarbeiter. Besonders stark sind sie in der Landwirtschaft und in der Rüstungsindustrie vertreten.

Zunächst zu den Kriegsgefangenen. Nach dem Überfall auf Polen stehen Millionen polnische Kriegsgefangene zur Verfügung. Nach dem Westfeldzug 1940 kommen Belgier und Franzosen zum Arbeitseinsatz. Die Millionen gefangener Russen des Jahres 1941 lässt man zunächst als Untermenschen jämmerlich verhungern. Erst zögernd werden sie zu Arbeiten eingesetzt, in Hameln seit 1943.

Der übergroße Teil der ausländischen Arbeitskräfte sind Fremd- bzw. Zivilarbeiter. Kommen sie zunächst durchaus freiwillig, so wird mit der Zeit zunehmend Gewalt gebraucht. Auch Unterbringung und Arbeitsbedingungen verschlechtern sich ständig. Zunächst bestehende Rechte (Freizügigkeit, Urlaub in der Heimat usw.) werden eingeschränkt. Die Unterbringung im Lager wird seit 1943 zur Regel. Durch detaillierte Polizeiverordnungen wird eine strikte Trennung von der einheimischen Bevölkerung erreicht.

Die zumeist sehr jungen Menschen (viele sind zwischen 14 und 18 Jahre alt) werden durch eine tägliche Arbeitszeit von 12 Stunden rücksichtslos ausgebeutet. Für junge Polen sind die Jugendschutzbestimmungen aufgehoben. Die große Mehrzahl der Fremd- bzw. Zivilarbeiter kommt aus dem Osten. Ein großes P kennzeichnet Polen, OST steht für Ukrainer, Sowjetrussen und Weißrussen.

Diese beiden Gruppen sind besonders schlecht gestellt. Für sie gelten in Hameln die folgenden Polizeibestimmungen:

ein Besuch von Gaststätten, Kinos, aber auch von deutschen Friseuren ist nicht erlaubt

das Betreten der städtischen Forste und Parks, der Weserbrücke und der Weserpromenade sowie der Oster- und Bäckerstraße ist verboten

die Teilnahme am Gottesdienst der katholischen Gemeinde ist untersagt. Für die in der Mehrzahl katholischen Polen werden deutsche Wanderseelsorger bestimmt. Dabei darf die Beichte nur in deutscher Sprache abgenommen werden!

Der Oberbürgermeister stellt befriedigt fest: "Der Dechant der hiesigen katholischen Kirche legt keinen Wert auf die kirchliche Betreuung der Arbeiterinnen und Arbeiter polnischen Volkstums."

Für die ärztliche Betreuung der ausländischen Arbeitskräfte hat man auf dem Gelände des Weserkrankenhauses spezielle Krankenbaracken aufgestellt - peinlich getrennt vom Hauptkrankenhaus. Dort werden auch Abtreibungen vorgenommen.

In Hameln sind auf dem Höhepunkt der Kriegswirtschaft in den Jahren 1944 und 1945 mehr als 3000 (vermutlich sogar 7000) ausländische Arbeitskräfte eingesetzt. Unter schlimmen Bedingungen leben sie in völlig überfüllten Baracken im Industriegebiet.

Für die Kriegsgefangenen gibt es 1940 vier Lager: Firma Körting, Firma Kuhlmann, der Wehl und die Linsingen-Kaserne. 1943 kommen weitere Standorte hinzu: Firma Kaminski, Schiffswerft Meyer-Hermann, die Domag, Sägewerk Bruns.

Zivilarbeiterlager gibt es u.a. bei der Domag (später AEG; für 800 Ostarbeiter), bei der Firma Kaminski (570 Ostarbeiter) und in der Walkemühle (440).

Viele der ausländischen Arbeitskräfte haben die Befreiung nicht erlebt. Auf dem Friedhof Wehl gibt es 320 Bestattungen von gestorbenen Kriegsgefangenen und Zivilarbeitern (darunter allein 138 Russen). Sehr viele Kinder und junge Frauen sind darunter, und viele sterben in den Wochen und Monaten nach Kriegsende - offenbar völlig erschöpft.

Das Thema Zwangsarbeit wird für Hameln gegenwärtig wissenschaftlich aufgearbeitet. Ein ausführliche Darstellung wird 2005 ins Netz gestellt.

 
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