Historische Orte in Hameln

 

Das Hamelner Münster

Hameln zwischen Reformation, Renaissance
und Dreißigjährigem Krieg –
Vom glücklichsten Jahrhundert der Stadtgeschichte

Vortrag am 19. September 2016 im Münster

 

Die Neugestaltung des Inneren des Münsters

 

Luthers neue Lehre hatte den Ablasshandel zusammenbrechen lassen. Die Sorge um das eigene Seelenheil sowie das der Verstorbenen war allein der Gnade Gottes (sola gratia) anvertraut. Die vielen Altäre, Reliquien und Gnadenbilder waren überflüssig geworden.

Im Mittelpunkt jeden Gottesdienstes stand nun die Verkündigung von Gottes Wort, die Predigt in deutscher Sprache, zusammen mit dem Lobgesang und Gebet der Gemeinde.

Die Konzentration auf Kanzel und Altar veränderte das Innere der Kirchen tiefgreifend. Das Münster St. Bonifatius werde im Laufe des 17. Jahrhunderts in eine lutherische Predigtkirche umgewandelt.

1564 – nach der Wahl Mollers zum Dekan – ließ der Rat erste bauliche Veränderungen vornehmen und die Neben- und Seitenaltäre aus dem Kirchenschiff entfernen – ein Bildersturm setzte ein.

Um die Schäden an den Wänden zu beheben und die mittelalterlichen Wandmalereien zu überdecken, beauftragte der Rat den Hildesheimer Maler Jost Westhof, die Kirche hell zu streichen und „grau in grau auf weiß“ ein Lilienmuster ins Gewölbe zu malen. Die weiße Raumfarbe war puristisch-reformatorisch.

Andachtsbilder wie der Schmerzensmann (Abb. s.o.), die durchs Auge auf das Gemüt und die Heilssehnsucht des Betrachters wirkten, wurden nun übertüncht. Die Glaubensvermittlung der Reformatoren bediente sich des gesprochenen Wortes, wendete sich nicht an das Auge, sondern das Ohr.

Im Bildersturm ging viel Wertvolles verloren. Die Reformation schaffte die Bilder nicht radikal ab; sie beließ die unverfänglichen, jene, die biblische Geschichten erzählen.

Wie in allen Domen, Kloster- und Stiftskirchen trennte auch im Hamelner Münster ein Lettner den Raum für das Mönchs- oder Stiftskollegium vom übrigen Kirchenraum ab, der für die Laien bestimmt war. Lettner und Chorschranken grenzten die Vierung zum Mittelschiff ab.

Die Vierung bildete den niederen Chor. In ihrer Mitte stand damals das Grabmal des Grafenpaares, abgedeckt durch den liegenden Stifterstein (Abb. s.o.).

Mit der Beseitigung des Stiftergrabmals beseitigte der Rat das wichtigste Monument des Totengedenkens und brach bewusst die Memorialtradition. Moller und Hornemann und das ganze Kapitel protestierten vergeblich beim Herzog gegen diese Verwüstung der Kirche.

Chorschranken und Lettner fielen nach längerem Streit bald nach 1576.

Der Stiftsherr Johannes Hornemann starb 1578. Hornemann war als erster Kanoniker 1563 zur lutherischen Konfession übergetreten. Anders als die Grabplatte von Hermann Colleman gibt seine Platte bewusst keinen Todestag nach dem liturgischen Kalender an. Das jährliche Totengedenken kann also nicht gehalten werden.

Die zweite Sinnmitte neben dem Altar im reformatorischen Kirchenraum wurde nun die Kanzel, der Ort der Predigt, des Wortes. Die Tür der Kanzel (heute im Museum) schmückten die Porträts der Reformatoren Luther und Melanchthon.

Entsprechend dem Schwerpunkt auf der Predigt kam nun Gestühl in den Kirchenraum und wurde auf die Kanzel ausgerichtet. Um für jeden Gottesdienstbesucher einen Sitzplatz zu haben, füllte sich die Kirche mehr und mehr mit Bänken. Die Plätze wurden vermietet, wovon noch Stuhlregister zeugen.

Im nördlichen Seitenschiff wurde eine Prieche (Empore) für die Bürger gebaut, ganz mit Wappen vornehmer Familien bemalt, wie zum Beispiel Reimerdes, Klenck, Scadeland und Bosse. 1649 errichtete sich der Rat eine eigene Prieche, im Süden gegenüber der Stiftsherrenempore. Rechts neben der Orgel erhob sich die Prieche der Kaufmannsinnung. 1686 reichten die Plätze an der Nordseite nicht aus und es wurde eine neue „lange und große Prieche“ errichtet.

Es gab auch Emporen für einzelne vornehme Familien: Die „Emporprieche derer von Rheden“ auf der Nordseite, links von der Orgel, die Prieche der Familie Amelung und der „Stuhl“ der Grafen von Spiegelberg.

Die Priechen wurden durch „Armleuchter“ erhellt, die entweder von Familien oder von Ämtern und Innungen gestiftet wurden und Wachsdeputate erhielten.

Neue Ausstattungsstücke waren die großen Hängeleuchter. Sie wurden zumeist von Familien gestiftet, die ihren Einfluss und Wohlstand demonstrieren wollten. Zum von Jost Polmann und Anna Margaretha Matthias 1679 gespendeten Leuchter gehörten zusätzlich jedes Jahr viereinhalb Pfund Wachs aus den Erträgen von 3 Morgen Land am Klüt.

 
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