Historische Orte in Hameln

 

Das Hamelner Münster

Hameln zwischen Reformation, Renaissance
und Dreißigjährigem Krieg –
Vom glücklichsten Jahrhundert der Stadtgeschichte

Vortrag am 19. September 2016 im Münster

 

Erste reformatorische Unruhen in Hameln

 

Seit 1517 verbreiteten sich lutherische Ideen durch Deutschland. Sie forderten unverfälschte Predigt des Wortes Gottes durch evangelische Pastoren, die Lesung der deutschen Bibel und das Singen evangelischer Lieder.

Reformatorisches Gedankengut verbreitete sich im Lande über eine Vielzahl lutherischer Schriften und Flugblätter, auch über herumziehende Prediger, Vertreter des niederen Klerus, die vor allem in die Städte kamen.

In Minden, Hannover, Hildesheim, Braunschweig gab es damals demokratischen Aufruhr gegen den patrizischen Rat, soziale Unruhen, die sich mit lutherischen Lehren verquicken. Für Braunschweig 1528, Göttingen1530, Hannover 1533 können wir von einer „Reformation von unten“ sprechen, die vor allem die Handwerker gegen die wohlhabenden konservativen erkämpft wurde. In Hildesheim hingegen wurden die reformatorischen Unruhen vom Bischof niedergeschlagen.

Über die geistigen und sozialen Kämpfe, die es auch in Hameln gab, erfahren wir aus den vorliegenden Quellen leider nur sehr wenig. Wir wissen, dass es auch in Hameln gärte. 1532 fanden Hexenprozesse in der Stadt statt, stets Zeichen gesellschaftlicher Nervosität. Wir hören von Schlägereien zwischen Kaufmannssöhnen und Handwerksgesellen.
Es gab aber keinen Umsturz. Städtischer Rat und Stiftsherren standen in Hameln beide fest zusammen auf Seiten des alten Glaubens. Sie waren dafür verantwortlich, dass lutherische Lehren erst spät nach Hameln kommen.

 

Von ausdrücklich reformatorischen Unruhen und dem Verlangen der Bürger nach evangelischer Lehre hören wir in Hameln zum ersten Mal 1538, also sehr spät.

In Hameln waren es – wie in vielen Städten und verbreitet auf dem Lande – die deutschsprachigen lutherischen Lieder, die für Unruhe sorgten. Die Menschen haben sich in den evangelischen Glauben eingesungen. Die Lieder füllten auf lange Sicht die Lücke, welche der Wegfall der Heiligenverehrung geschaffen hatte.

Am Pfingstmontag, dem 10. Juni 1538, wird die Frühmesse im Münster St. Bonifatius durch das Singen lutherischen Gesänge gestört. Am Tag darauf kommt es zu einem ernsten Zwischenfall. Während der Frühmesse – ungefähr zwischen 6 und 7 Uhr morgens, der „Predikant“ hat gerade angefangen zu predigen – werden erneut „Martinsche gesenge“ angestimmt. Beim Versuch, das laute Singen der deutschen Lieder zu unterbinden, gerät der herzogliche Vogt Otto Schrader mit den Sängern in Streit und ist „dermathen in worde und hantgreppe gekomen, dat my eine in die haer gefallen ist“, wie er dem Herzog berichtet.

Es gab also auch in Hameln das Verlangen nach Reformation. Hass gegen die fetten Stiftsherren dürfte ein Motiv des Tumultes gewesen sein.

Stiftsherren stellten sogleich nach der Messe den Rat zur Rede, fordern ein Eingreifen gegen die „Frevler“, hörten jedoch nur beschwichtigend, dass der Rat die Sache nicht „in der Eile dämpfen“ wolle.

Dem Rat scheint es damals gelungen zu sein, die Schreier zu beruhigen. Sie wurden auch nicht bestraft. Der Rat sah sich aber nicht genötigt, selbst aktiv zu werden; er laviert. Offenkundig fehlte der gesellschaftliche Druck von unten, wie es ihn in anderen Städten gegeben hat.

 
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