Historische Orte in Hameln

 

Das Hamelner Münster

Hameln zwischen Reformation, Renaissance
und Dreißigjährigem Krieg –
Vom glücklichsten Jahrhundert der Stadtgeschichte

Vortrag am 19. September 2016 im Münster

 

Grabplatten und Epitaphien im Münster

 

Kirche ist im Mittelalter öffentlicher Raum, neben dem Rathaus das Zentrum städtischen Lebens. Dort muss präsent sein, wer zur Führungselite der Stadt gehören will.

Ein möglichst aufwändig gestaltetes Grabdenkmal demonstriert die – selbstverständlich von christlicher Frömmigkeit getragene – Amtsführung der städtischen Oberschicht sowohl für die Zeitgenossen wie für spätere Generationen. Grabplatten dienen der Selbstdarstellung, zeigen das ideale Selbstbild eines Hamelner Bürgermeisters. Teil des Selbstbildes ist die humanistische, auf der Universität erworbene Bildung. Die meisten Grabinschriften sind auf lateinisch verfasst. Latein ist die bevorzugte Sprache zur Selbstdarstellung der städtischen Elite.

Die städtische Führungselite Hamelns war klein, rekrutierte sich aus den reichen Großkaufleuten und war über Generationen miteinander durch Heiraten eng vernetzt.

Auch der Adel bestattete im Münster. Die Adeligen waren im Unterschied zu den Bürgerlichen in Rüstung und mit zahlreichen Wappen dargestellt. Um 1600 haben sich jedoch die Repräsentationsformen von Adel und städtischer Elite weitgehend angeglichen.

Grabstein für den einzigen Sohn des Söldnerführers Jürgen Holle auf Grohnde, Rudolf Holle, gest. 1560 im Alter von 20 Jahren. Jürgen Holle ist in betender Haltung mit Rüstung dargestellt. Vier Wappen kennzeichnen ihn als Adeligen.

Die feine Durchbildung erinnert an einen Stein, der sechs Jahre später für die 1566 an der Pest gestorbene Catharina Vogedes gesetzt wurde. Sie war Gattin des Bürgermeisters Amelung. Der Stein, der außerhalb des Münsters am Eingang zum Beginenhof in eine Hauswand eingelassen ist, zeigt sie in reicher bürgerlicher Kleidung, mit noblem Faltenwurf und feingliedrigen Händen. Eine exquisite lateinische Inschrift enthält ein Gedicht, am Ende des ersten Verses sogar ein griechisches Wort in griechischen Buchstaben.

Die Grabplatte von Bürgermeister Johannes Reimerdes, gest. 1576, befindet sich links neben Eingang zur Elisabethkapelle.
Wie auf dem mittelalterlichen Grabmal des Stiftsherrn Colleman kniet der Verstorbene unter dem Kreuz, nun aber nicht allein, sondern mit seiner Familie. Zwei eigentlich Adeligen vorbehaltene Wappen betonen die vornehme Herkunft. Die lateinische Inschrift erwähnt das hohe Amt des Verstorbenen.

Der Stein für Hieronymus Justus von Hake hängt am nordwestlichen Vierungspfeiler. Hieronymus Justus von Hake starb 1615 als Kind im Alter von elf Jahren. 16 Wappen zeigen seine adelige Herkunft.

Das prunkvolle Barockepitaph für Konrad Reiche hängt im Hohen Chor. Konrad Reiche, Student der Rechte und Patrizier, aus einer alten Hamelner Bürgermeisterfamilie, starb 1626 im Alter von 21 Jahren. Das Epitaph zeigt ihn zwar kniend, aber den Blick nicht auf Christus, sondern den Vorübergehenden gerichtet. Ursprünglich waren um dieses Epitaph acht Wappen alter Hamelner Familien aus Alabaster angebracht.

Im Eingangsbereich des Münsters befindet sich die farbig gestaltete Grabplatte für Hinrich Jürgen Reiche, gest. 1627 im Alter von 33 Jahren. Mit deutschsprachiger Inschrift; im Gesicht leicht beschädigt, zeigt sie einen jungen Mann in zeitgenössische Tracht mit weiten Kniehosen, langem Wams und gefaltetem weißen Schulterkragen und Degen.

Die Renaissance-Grabsteine im Hamelner Münster sind ein nicht genügend beachteter Höhepunkt der Steinmetzkunst, um den uns andere Städte beneiden.

 
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