Historische Orte in Hameln

 

Das Hamelner Münster

Hameln zwischen Reformation, Renaissance
und Dreißigjährigem Krieg –
Vom glücklichsten Jahrhundert der Stadtgeschichte

Vortrag am 19. September 2016 im Münster

 

Die politische, wirtschaftliche und soziale Entwicklung in der Stadt

 

Die Stadt Hameln hatte durch die Einführung der Reformation politisch und wirtschaftlich an Einfluss gewonnen. Auch gegenüber dem Landesherrn konnte die Stadt ihre Eigenständigkeit vergrößern.

Um die Jahrhundertmitte tobten Religionskriege im Reich. Der Erzfeind des Luthertums in Norddeutschland, Herzog Heinrich d.J. von Braunschweig-Wolfenbüttel, griff ein. 1546 erklärte der Kaiser dem evangelischen Schmalkaldischen Bund den Krieg.

Dem Jahr 1550 folgte in Hameln ein Jahrzehnt gehäuften Unglücks.

Es folgten 50 Jahre ohne Krieg, 50 Friedensjahre. Noch im Unglücksjahrzehnt begann der Aufbruch.

Seit 1555 nahm die Stadt oberhalb wie unterhalb Hamelns eine umfangreiche Stromregulierung in Angriff. Seit der Überflutung 1374 hatte sich die Weser in drei nach Osten und drei nach Westen gebogenen Armen ein neues Bett gesucht. Das aufwändige Unternehmen erleichterte die Schifffahrt und brachte der Stadt vor allem viel neues Ackerland ein. Die Stadt begann auf eigenen Flächen Landwirtschaft und Schafzucht zu betreiben.

Ab 1564 galt eine neue Feuerordnung. Jeder Besitzer eines Brauhauses musste einen Ledereimer zum Löschen haben; alle Strohdächer waren binnen sechs Jahren durch Ziegeldächer zu ersetzen. Die Stadt ließ selbst Ziegel brennen.

1568 gab die Stadt eine Wasserleitung mit Holzröhren in Auftrag.

Eine neue Wallbefestigung wurde fertiggestellt; jede Gilde musste ein 500-Pfund-Geschütz gießen lassen.

Die Mittel für all diese Maßnahmen kamen aus einem wachsenden Wohlstand. Anzeichen von Luxus deuten sich an, wenn die Ratsordnung von 1564 Glücksspiele verbietet und die Größe von Festen regelt: ein Ratsmann durfte 90, ein Bödener 24 Gäste einladen.

Von neuer Lebensfreude zeugte der Neubau eines Teils des Weinkellers unter dem Rathaus mit schönem spätgotischem Gewölbe von 1542.

Ebenfalls aus den 1540er Jahren stammen Adam und Eva in der Fischpfortenstraße: realistisch, drastisch.

Der soziale Friede wurde mit Mühe gewahrt; einen Aufstand der Tuchmacher wusste der Rat aufzufangen, indem er ihnen den Verkauf unmittelbar an die Verbraucher gestattete. Den lukrativen Handel mit Wolle und mit ausländischem Tuch behielten sich die Kaufleute jedoch vor.

Fernhandelskaufleute nutzten die günstige Konjunktur. Wolle und Korn gingen in die Niederlande, die sich 1566 gegen Spanien erhoben hatten. Weil deswegen der Rhein gesperrt worden war, diente die Weser als neue Wasserstraße. Große Schäfereien entstanden im Umkreis der Stadt. Hauptausfuhrartikel war Korn. Das Mühlengewerbe blühte.

Die Geschichte der Hamelner Wirtschaft im 16. Jahrhundert ist bisher nicht erforscht. Sie muss eine große Blüte erreicht haben. Zeichen dafür ist ein erstaunlicher, fast plötzlicher Aufstieg in der Baukunst, der in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts einsetzte.

Den Anfang machte 1558 das fälschlich so genannte Stiftsherrenhaus, wahrscheinlich von Bürgermeister Poppendiek erbaut, der ersten Unternehmerpersönlichkeit der Stadt. Poppendiek hatte mit vom Stift gepachteten Mühlen viel Geld verdient. Das Haus gehört stilistisch der Nachgotik an. In seiner Skulptur zeigt es fast nur katholische Heilige. Das Stiftsherrenhaus wurde nicht zum Vorbild für andere Neubauten.

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Neu kam jetzt die Steinmetzkunst nach Hameln. Vorbild waren die wehrhaften Adelssitze, die Hameln wie ein Kranz umgaben und der in den Mauern der Stadt stehende Redenhof.

Zwei Landsknechtsführer, Jürgen von Holle auf Grohnde und Hilmar von Münchhausen auf Aerzen, hatten Söldnerheere auf Seiten des Kaisers gegen Frankreich in den Kampf geführt. Beide – Männer von europäischem Ruf – ließen sich 1557 hier nieder. Ihr im Krieg gewonnener Reichtum ermöglichte ihnen, Kunsthandwerker und Steinmetze aus den Niederlanden zu holen.

Mit beiden Männern setzte eine reiche Bautätigkeit im Wesertal ein. Der Obrist Hilmar von Münchhausen beauftragte den Baumeister Cord Tönnis 1573 mit dem Bau des Wasserschlosses Schwöbber.

Hamelner Bürger wetteiferten mit den Aufträgen der adeligen Kriegsobersten. Der Patrizier Johann Rike, der in Wittenberg studiert hatte, beauftragte Tönnis 1556 mit dem Umbau seines alten gotischen Steinhauses in der Bäckerstr. 16, des sog. Rattenkrugs. Neben dem noch spätgotischen Tor zeigt die Fassade eine neuartige zweigeschossige Utlucht; der steile Stufengiebel ist mit s-förmigen Voluten geziert; zwei Wappengehäuse flankieren den Eingang.

1576 entstand in der Osterstr. 12 ein Neubau: Das sparsam und streng symmetrisch gegliederte Rikesche Haus mit zwei Utluchten und dem Neidkopf ließ der Ratsherr und mehrmalige Bürgermeister Jost Rike errichten. Sein Baumeister ist unbekannt.

 
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