Zwangsarbeit in Hameln und im Kreis Hameln-Pyrmont

 

"Gesichter" - Ausländische Zwangsarbeit in und um Hameln 1939-1945

Ausstellung im Hamelner Münster
vom 9. September bis 13. November 2005

 

Kap. 7

"Wir waren immer hungrig." –
Das Leben im Lager

 

In der Unterbringung der in der Industrie eingesetzten ausländischen Arbeitskräfte kam die rassische Hierarchisierung der ausländischen Arbeitskräfte zum Ausdruck.

In Hameln wie im Landkreis waren die westeuropäischen Arbeiter zum größeren Teil privat untergebracht.

"Ostarbeiter" und viele Polen mussten dagegen in umzäunten und überfüllten Holzbaracken, aber auch in notdürftig hergerichteten Werksräumen wie Kellern, Dachböden und Lagerhallen hausen.

 

Kap. 7.1

Die Lager für Polen und "Ostarbeiter"

 

Mit den Polen und Sowjetbürgern kamen Personen nach Deutschland, die nach Meinung von Partei und Regierung von der deutschen Bevölkerung möglichst ferngehalten werden sollten. "Ostarbeiter"-Lager waren deswegen umzäunt und bewacht. Ihre Insassen hatten faktisch den Status von Arbeitssklaven.

Als Lagerführer dienten ältere wehrdienstuntaugliche Männer, die häufig sehr streng auftraten. Gegenüber Polen und Sowjetbürgern durfte das Wachpersonal anfänglich Prügelstrafen verhängen. Aber auch nach Abschaffung der Prügelstrafe ging das Schlagen weiter.

Anfangs galt ein striktes Ausgehverbot, das jedoch ebenso wie die Bewachung mit der Zeit gelockert wurde und zuletzt ganz entfiel. Ohnehin bestand kaum eine realistische Chance auf eine erfolgreiche Flucht. Flüchtlinge wurden in der Regel schnell wieder eingefangen.

 
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Kap. 7.1.1

Die Belegung der Baracken

 

Die Belegung in den hölzernen Barackenbauten war extrem hoch. Jede Stube der genormten Baracken war mit 18 Arbeiterinnen oder Arbeitern belegt. Die Betten standen zwei- bis dreistöckig. Für sowjetische Kriegsgefangene galt die katastrophal enge Belegung von 36 Mann pro Stube.

Die Situation in den Lagern verschlechterte sich im Jahre 1942 dramatisch, als Rüstungsproduktion und Ausländereinsatz erheblich ausgeweitet wurden. Bis Ende 1942 erhöhte sich besonders durch den "Russeneinsatz" die Anzahl der ausländischen Arbeiter drastisch von 3,5 auf 5,6 Mill.

Der Bau neuer Lager zog sich oft jahrelang hin, weil es den Betrieben, die für den Bau und die Einrichtung der Baracken verantwortlich waren, nur unter großen Schwierigkeiten gelang, die erforderlichen Baumaterialien zu beschaffen.


Kap. 7.1.2

Die Freizeit

 

Die zahlreichen Einschränkungen betrafen nicht nur den Arbeitstag, sondern auch die schmal bemessene Freizeit. Während in den Lagern der französischen Kriegsgefangenen Konzerte, Laientheaterspiel und Sport möglich waren, lebten die osteuropäischen Arbeitskräfte häufig unter Existenz bedrohenden Bedingungen. Hier gab es nur den Kampf um ausreichende Nahrung und gegen Dreck und Kälte.

Die qualvolle Enge ließ Privatheit nicht zu. "Kameradendiebstahl" und Unterschlagung von Lebensmitteln waren keine Seltenheit. Hunger war oft stärker als Solidarität.

 
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Kap. 7.1.3

Die Verpflegung

 

Die Lagerinsassen erhielten Lager- oder Werksverpflegung. Die Ernährung wurde vom Unternehmer gestellt, der für das Lager verantwortlich war, und vom Lohn abgezogen. Dabei waren die Rationen der Ostarbeiter von Anfang an niedriger als die der westeuropäischen Arbeitskräfte.

Die Ernährung der Sowjetbürger lässt sich in zwei Wörtern zusammenfassen: Kohlsuppe und "Russenbrot". Letzteres bestand aus Roggenschrot, Zuckerrübenschnitzeln, Zellmehl, Strohmehl und Laub. Die Ernährung war nie ausreichend und so schlecht, dass die sowjetischen Lagerinsassen jahrelang dem Hunger ausgeliefert waren. Den Briefen kann man entnehmen, dass sich neben der Enge in den Baracken der Hunger am stärksten in der Erinnerung festgemacht hat. Dabei hätte es für die Unternehmer die Möglichkeit gegeben, Essbares hinzuzukaufen. Nicht alle Lebensmittel waren rationiert.

Die tatsächlich ausgegebenen Rationen wichen häufig von den offiziellen nach unten ab. Unterschlagung von Nahrungsmitteln durch korrupte Verantwortliche war weit verbreitet. Ein Beamter des Auswärtigen Amtes sah sich im August 1943 auf eigene Faust in Zwangsarbeiterlagern in Berlin um.

"Trotz der den Ostarbeitern offiziell zustehenden Rationen ist einwandfrei festgestellt worden, dass die Ernährung in den Lagern folgendermaßen aussieht: Morgens einen halben Liter Kohlrübensuppe. Mittags im Betrieb einen Liter Kohlrübensuppe. Abends einen Liter Kohlrübensuppe. Zusätzlich erhält der Ostarbeiter 300 g Brot täglich. Hinzu kommen wöchentlich 50-75 g Margarine, 25 g Fleisch oder Fleischwaren, die je nach Willkür der Lagerführer verteilt oder vorenthalten werden. Große Mengen von Lebensmitteln werden verschoben."

Zitiert nach Spoerer, Zwangsarbeit unter dem Hakenkreuz, S. 132.

Um zu überleben, blieb den Lagerinsassen nur der Schwarzmarkt oder der Diebstahl. Auf dem Schwarzmarkt kostete im März 1944 ein Laib Brot 10 RM. In dieser Größenordnung bewegten sich damals die Wochenlöhne der Ostarbeiter.

Viele versuchten auch durch freiwillige Sonntagsarbeit bei Privatleuten oder den Verkauf von selbst gebasteltem Spielzeug an Lebensmittel oder etwas Geld zu gelangen. Beides war nicht erlaubt, wurde aber in der Regel geduldet.

 
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Kap. 7.1.4

Die Bekleidung

 

Ebenso wenig wie Lebensmittelkarten erhielten Ausländer Bezugsscheine für Kleidung und Schuhe.

Wer zunächst freiwillig nach Deutschland gekommen war, hatte noch ausreichend Kleidung mitnehmen können. Die zwangsweise deportierten Menschen aus dem Osten besaßen hingegen häufig nur das, was sie auf dem Leibe trugen. Viele hatten mithin keine Kleidung zum Wechseln, so dass sie die benutzten Sachen auf Dauer kaum sauber halten und Abgenutztes nicht ersetzen konnten. "Ostarbeiter" fielen im Straßenbild zwangsläufig durch zerlumpte Kleidung auf.

Ein besonderes Problem stellte das Schuhwerk dar. Wer nicht barfuss lief, musste klobige Holzpantinen tragen. Sie waren schrecklich unbequem und man konnte kaum darin laufen. Die Holzschuhe und die Geräusche, die sie verursachten, waren das "Erkennungszeichen" der "Ostarbeiter".

Kap. 7.1.5

Die Hygiene

 

Die Hygiene war mangelhaft, weil Seife, Bettwäsche, Handtücher und Waschgelegenheiten selten waren. Häufig gab es kein warmes Wasser.

"Russische Schweine", das ist einer der wenigen deutschen Ausdrücke, an die sich die Sowjetbürger noch gut erinnern können. Nach wenigen Wochen sahen sie so aus, wie es die Propaganda schon immer behauptet hatte, verdreckt und zerlumpt. Das Risiko, dass eine Baracke von Ungeziefer befallen wurde, war extrem hoch. Alle Lager waren verlaust, Fleckfieber trat auf.

 
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Kap. 7.2

Lagerunterbringung bei der Firma Kaminski

 

Über die Lagerunterbringung bei der Firma Kaminski sind wir durch Archivakten und Berichte ehemaliger Zwangsarbeiter recht gut informiert.

Die Zustände in den Baracken müssen insgesamt schlecht bis katastrophal gewesen sein. Die Männer und Frauen waren auf engstem Raum untergebracht. Auch die Ernährung war unzureichend, so dass Hunger ein ständiger Begleiter war.

1942 reiste ein französischer Verbindungsoffizier durch den Kreis Hameln und besuchte alle Lager, in denen französische und belgische Kriegsgefangene saßen. In seinem Bericht spricht er zahlreiche Lager an und ist mit dem Zustand der Ernährung und Unterbringung insgesamt recht zufrieden. Zum Kommando 1566 Kaminski hielt er fest:

130 Mann. Sie beklagen sich, dass sie alle in einem großen Raum schlafen müssen. Es gibt wenig Hygiene. Sie schlafen zusammengepfercht. Es gibt Wanzen. Das Stroh muss gewechselt werden. Die Ernährung ist ungenügend, 250 Gramm Brot.

 
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Herr Edmund B., geb. am 23. Oktober 1922 in Tschenstochau, Polen.

Während der Arbeit in der Firma Kaminski hatten wir immer Hunger. Es gab ein Brot für sieben Mann und einen halben Liter Suppe aus Steckrüben zum Mittag.

Unsere Wohnung war die Baracke, zwölf Mann pro Zimmer, die Betten waren dreistöckig. Wir hatten Holzschuhe, keine Strümpfe, nur alte Lumpen, kein Hemd, keinen Anzug. Wir mussten unsere Kleidung selbst kaufen. Zum Waschen bekamen wir Seife.

Immer war ein Wachmann da. Wir konnten nicht ausgehen, sondern mussten immer in der Baracke bleiben, gingen nur zur Arbeit und wieder zurück, dann wieder schlafen, dann wieder arbeiten, und immer wieder dasselbe, und das 50 Monate lang.

 

Herr Raymont C., geb. am 25. Februar 1920 in Frankreich. Raymont C. war Kriegsgefangener.

Das Lager der Firma Kaminski war hinter dem Hamel-Kanal. Im Lager waren Menschen aus allen möglichen Nationen untergebracht. In meiner Baracke gab es zehn getrennte Zimmer. Pro Zimmer lebten fünfzehn Menschen. Es gab einen Raum mit Waschbecken zum Waschen.

Die deutsche Wache schlief in derselben Baracke. Die Wache brachte uns zum Werk; wir mussten in Reihe marschieren. Wir wurden sehr streng gehalten, weil Kaminski eine Kriegsfabrik war. Im Lager gab es große im Zickzack gelegte Röhren zum Schutz gegen Bomben.

Das Essen war schlecht und wurde mit den Jahren immer schlechter. Manchmal haben wir gehungert. Einmal gab es eine Ratte in der Suppe. Ich habe trotzdem gegessen und wurde auf diese Weise einmal satt. 1945 war ich bei einer Größe von 1,65 m noch 37 kg schwer.

Im Jahre 1943 gab es nur schlechte Kartoffeln. Es gab keine Vorräte. Da haben wir Gras gegessen. Sonntags kamen manchmal Zivilarbeiter am Lagerzaun vorbei und haben Kartoffeln über den Zaun geworfen.

 
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Herr Jerzy L., geb. am 14. Juni 1923 in Warschau, Polen.

Nach der Arbeit beim Bauern Konrad G. in Salzhemmendorf kam ich im Dezember 1944 in das Lager der Firma Kaminski. Wir haben sehr gehungert. Ich weiß es noch, eines Tages arbeiteten die anderen außerhalb der Fabrik und kamen deshalb nicht zum Mittagessen. Deshalb bekamen die, die in der Fabrik geblieben waren, so viel Suppe, wie sie wollten. Ich habe damals so viel gegessen und trotzdem hatte ich das Gefühl, dass ich noch Hunger hatte. Diese Geschichte mit der Suppe weiß ich noch bis heute und ich vergesse sie nie. Wahrscheinlich deshalb, weil das nur einmal geschah.

Ich erinnere mich auch noch an einen Mann, wie er die Kartoffelschalen aus der Mülltonne herausholte und sie kochte. Es war einfach ein großer Hunger. Manche Russen haben Spielzeug aus Holz gebastelt und durch andere Leute haben sie das Spielzeug gegen Essen getauscht.

In der Zeit, als ich bei Kaminski arbeitete, wohnte ich mit meinen Kameraden in Holzbaracken, die in der Nähe der Fabrik standen. In einem Raum von 18 qm Größe waren wir mit zehn Personen untergebracht. Die ganze Ausstattung unseres Zimmers waren ein Tisch, ein paar Schränke und dreistöckige Betten aus Holz. Wir hatten auch einen kleinen Ofen. Das Heizmaterial mussten wir uns selbst besorgen.

Die sanitären Umstände waren auch katastrophal. Es gab keine Kanalisation. Es hat in der gesamten Baracke gestunken. Außerdem gab es viele Flöhe und Wanzen. Darum konnte man kaum schlafen.

Es gab keine Möglichkeit, Wäsche zu waschen. Ich hatte nur eine Kleidung, die sehr verschmutzt war. Ich hatte nur Schuhe aus Holz. Ich selbst war auch sehr schmutzig – ich fühlte mich wie ein Bettler. Wenn ich in einen Laden hineinkam, um Essen zu kaufen, gingen die Leute beiseite. Nie vorher und nie nachher bin ich so erniedrigt worden.

 

Kap. 7.3

Die Lagerunterbringung bei der Domag

 

Wie bei der Firma Kaminski müssen die Zustände in den Baracken der Firma Domag insgesamt schlecht bis katastrophal gewesen sein. Die Männer und Frauen waren auf engstem Raum untergebracht. Teilweise fehlten Waschmöglichkeiten, so dass sich die Menschen im nahen Hafenbecken wuschen. Auch die Ernährung war unzureichend, so dass Hunger ein ständiger Begleiter war.

 
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Herr Bogumil S., geb. am 11. März 1924 im Dorf Osjakow, Kreis Wielun, Wojewodschaft Lodz, Polen.

Die Baracken waren alt und schlecht, aus Holz. Ich hatte nur den Ausblick auf den Fluss und auf die Mühle. Es war nicht erlaubt, hinter die Baracken zu gehen und zu schauen. Die Räume in den Baracken waren mit acht hölzernen Doppelstockbetten ausgestattet. Die Matratze war mit Stroh ausgestopft. Es gab eine Decke und ein Kopfkissen. Die Baracke hatte mehrere solche Räume. Es waren dort nur Männer. In meinem Zimmer waren vierzehn Polen aus verschiedenen Berufen. Im Zimmer gab es nichts außer den Betten und einer elektrischen Beleuchtung.

Sanitäre Anlagen waren in einer anderen Baracke. Das Wasser zum Waschen war kalt. Für das Zähneputzen haben wir Salz genommen. Um eine neue Zahnbürste zu kaufen, brauchten wir eine Karte.

Es war kaum möglich, Wäsche zu waschen. Nichts ist richtig sauber geworden. Wir haben unsere Decken nur ausgeschüttelt. Die Seife, die wir bekamen, war in Würfeln, schwarz wie die Wand. Wir haben uns beschwert, dass es zu wenige Wasserhähne gab. Dann wurden in der Baracke noch weitere Möglichkeiten geschaffen. Eine medizinische Station gab es nicht.

Es war nicht erlaubt, ohne Passierschein die Baracken zu verlassen. Ich habe nur den Fluss in Erinnerung. Wir wussten nicht einmal, in welche Richtung das Wasser der Weser fließt. Wir haben keine Erlaubnis bekommen, eine Kirche zu besuchen. Daran können Sie sehen, wie mir damals zu Mute war.

Wir haben keine Lebensmittelkarten bekommen, sondern wurden durch die Fabrikküche verpflegt. Jede Gruppe hatte ihren eigenen Raum zum Essen. Unser Raum war sehr klein und niedrig. Wir mussten gebückt hineingehen. Die Deutschen hatten ihren eigenen Raum zum Essen.

 
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Die Zeichnung stammt von Bogumil S. Er schreibt dazu:

In der roten Baracke habe ich gewohnt. Die schwarze Baracke war zum Waschen. Daneben gab es ein Lager für französische Kriegsgefangene. Daran schloss sich die Fabrik an. Es gab ein rollbares Fabriktor (quer zu den Schienen). Um das gesamte Lager war ein Metallzaun.

Auf der Zeichnung ist oben die Weser zu erkennen und davon abgehend das Hafenbecken. Nächst der Weser und neben dem Hafenbecken liegt die Baracke der polnischen männlichen Zivilarbeiter (in rot) und klein daneben die Waschbaracke (in schwarz). Darunter – mit Stacheldraht umzäunt – das Lager für französische Kriegsgefangene.
Quelle: Briefe


Frau Jewdokija B., geb. im Oktober 1923 im Dorf Sufojenka, Jagatischer Bezirk, Kiewer Gebiet, Ukraine.

Wir wohnten im Lager der Domag in winzigen Zimmern, je zwanzig Mädchen in einem. Zur Arbeit führte man uns sehr früh und sehr spät in der Nacht kehrten wir zurück. Das Essen bekamen wir einmal am Tag. Wir waren immer hungrig. Deshalb stahlen wir unterwegs Rüben und aßen sie im Lager.


Frau Ksenia F., geb. im Jahre 1924, im Dorf Shitnik, Shaschkower Bezirk, Kiewer Gebiet, Ukraine.

Wir wohnten in hölzernen Baracken. Ich wohnte in einem Zimmer mit zweistöckigen Betten für vier Personen.
Wir lebten hinter Stacheldraht. Zur Arbeit gingen wir bewacht. Die Erlaubnis, in die Stadt zu gehen, kriegten wir selten, außerdem fürchteten wir uns, irgendwohin zu gehen, da wir die Sprache nicht beherrschten und deshalb nicht fragen konnten, wo sich das Werk befand und wo das Lager stand. In der Stadt Hameln war ich nicht.

 
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Frau Wanda S., geb. im Jahre 1924 in Polen.

Wir wohnten im Lager der Union. Das Lager war mit Stacheldraht umzäunt. Im Lager waren schlimme Verhältnisse. Wir haben uns in der Weser gewaschen. Vom Lager aus hatten wir Zutritt zum Wasser.

Mit Passierschein durften wir nach der Arbeit auch auf die Straße gehen. Der Aufseher war nicht gut zu uns. Die deutschen Soldaten haben auf uns aufgepasst.

Wir haben gehungert. Die Zuteilung von Lebensmitteln war sehr knapp. Wir waren nicht gut ernährt, häufig krank und oft hatte jemand eine Infektion. Die Leute in Hameln waren gut zu uns, hauptsächlich die Ärzte.

Es gab da noch andere Lager für Franzosen, Italiener und Slowaken. Die Franzosen und Italiener bekamen Pakete vom Roten Kreuz. Bis heute kann ich nicht vergessen, wie die Franzosen vor unseren Augen gegessen haben und noch ironisch gelacht haben. Ich habe keine Sympathie für diese Leute. Die Italiener waren anders. Die haben uns heimlich Essen gebracht.

 

Frau Jekaterina M., geb. am 22. März 1926 im Charkower Gebiet, Ukraine.

Ich wohnte im Lager der Domag unweit der Weser außerhalb der Stadt. Dort standen mehrere Baracken aus Holz, die große Löcher hatten und nicht geheizt wurden. Das Lager befand sich hinter Stacheldraht und wurde von Soldaten mit Hunden bewacht.

Wir schliefen auf zweistöckigen Schlafbänken ohne Matratzen und mussten auf den hölzernen Betten ohne Decken und Bettwäsche liegen. Auf die Schlafbänke legten wir auch unsere vom Regen nasse Kleidung. Auf diese Weise wollten wir die Kleidung trocknen, um sie am Morgen anzuziehen und zur Arbeit zu gehen. Wir hatten in den Baracken keine Möglichkeit zum Waschen. Wir sollten uns draußen waschen. Das Wasser war eiskalt.

Wir waren immer hungrig. Brot erhielten wir ein Mal in der Woche für die ganze Woche. Wir aßen das Brot sofort auf, da wir keinen Platz zum Aufbewahren hatten. In der Suppe schwammen manchmal Würmer, da die Produkte ganz verdorben waren.

Ich war sehr oft krank, aber zur Arbeit ging ich immer. In der Fabrik Domag haben wir 7 Mark monatlich bekommen. Aber wir konnten nichts kaufen, da alles auf Karten verkauft wurde.

Zur Arbeit gingen wir alle zusammen unter Bewachung. Der Lärm von unseren Holzschuhen war in der ganzen Stadt zu hören. Alle Zwangsarbeiterinnen weinten unterwegs. Die Arbeitsbedingungen waren schrecklich schlecht. Wir waren hungrig und sehr schlecht gekleidet.

 
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Kap. 7.4

Pläne für neue Lager der Firmen Kaminski und
Domag im Jahre 1943

 

Mit Berufung auf "die Durchführung unseres vordringlichen Luftwaffenprogramms" (Domag) und "neue Aufträge durch das RLM" (Kaminski) setzen die beiden Firmen die Stadt unter Druck, ihnen weiteres Gelände zur Aufstellung von Baracken für Zwangsarbeiter freizugeben. Die Baracken sollen auf engstem Raum entstehen.

Die Planung ist offenbar nicht mehr oder nicht vollständig realisiert worden.

 
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Kap. 7.5

Die Unterbringung im Lager der Kleinmöbelfabrik Sinram & Wendt

 

Frau Marija Michailowna S., geb. im Jahre 1927 im Dorf Bolschoi Karabtschiew, Ukraine.

Am 24. November 1942 wurde ich nach Deutschland verschleppt. Ich war damals 15 Jahre alt und kleinwüchsig.
Ich wurde in die Möbelfabrik Sinram & Wendt in Hameln geschickt. Dort arbeiteten etwa zwanzig Mädchen aus der Ukraine. Ich arbeitete an einer Werkzeugmaschine, wo das Gewinde zum Einschrauben der Haken in die Bügel geschnitten wurde.

Man hat uns gesagt, dass wir 500 Kilometer von Berlin entfernt waren, seitlich befand sich Hamburg und 30 Kilometer entfernt von uns war Hannover.

Wir wohnten im Lager, das sich neben der Fabrik befand. Dort gab es einen kleinen Flur, unser Esszimmer und unser Schlafzimmer. Zwei bejahrte Italiener brachten uns das Essen aus der Stadt. Wir hatten aber wenig zum Essen. Wir waren immer hungrig. Wegen unseres Hungers haben wir Zuckerrüben auf dem Bahnhof geklaut. Die Rüben haben wir gekocht und gegessen. So überlebten wir diese schwere Zeit.

Unsere Arbeit war sehr schlecht bezahlt. Ich und noch ein Mädchen gingen an den Ruhetagen arbeiten, um uns etwas Geld zu verdienen. Wir putzten in Wohnungen oder arbeiteten in Gemüsegärten.

In der Fabrik über dem Verwaltungsbüro wohnte unser Meister mit seiner Frau. Er machte die Aufsicht über uns und erlaubte uns nicht, mit anderen Leuten zu verkehren. Sowieso blieben wir meistens im Lager. Wir fürchteten uns vor der Polizei.

Auf der anderen Seite des Stacheldrahts war ein Garten. Dahinter war ein großes Kraftwerk (= das Elektrizitätswerk Wesertal in Afferde) gebaut, das einmal von den Amerikanern bombardiert wurde.

 
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Kap. 7.6

Weitere Lager in Hameln

 

Kap. 7.6.1

Die Unterbringung bei den
Vereinigten Wollwarenfabriken Marienthal in Afferde

 

Die Wollwarenfabriken Marienthal brachten ihre vom Warschauer Aufstand verschleppten Zwangsarbeiter unter völlig unmöglichen Umständen in Werkshallen und im Keller der Fabrik unter.

 

Frau Natalija B., geb. am 17. August 1925 im Dorf Sanadonka, Chersoner Gebiet, Ukraine.

Die Arbeits- und Lebensbedingungen in den Wollwarenfabriken Marienthal waren sehr schwer. Wir arbeiteten pro Tag bis zu 16 Stunden und wurden sehr schlecht verpflegt, ein Mal am Tag. Wir bekamen Abfälle von der Küche wie Schweine. Sie sagten "Russische Schweine essen alles!"

Zum Frühstück und zum Abendessen bekamen wir einen Laib Brot (400 Gramm). Im Brot waren auch Steckrüben. 20 Gramm Zucker, 20 Gramm Butter, 20 Gramm schlechte Leberwurst, 20 Gramm Käse mit Würmern, 20 Gramm Blutwurst – das alles musste für eine Woche reichen.

Während der Arbeit in der Wollwarenfabrik Marienthal mussten wir im Fabrikkeller schlafen, wo auch die Wolle gelagert war. Von 6 Uhr abends bis zum Morgen waren wir dort eingesperrt. Dieses Leben konnten nicht alle aushalten; manche haben sich in der Toilette erhängt.

Frau Zofia T., geb. am 11. April 1930 in Warschau, Polen.

Ich kam im Jahre 1944 nach dem Warschauer Aufstand zusammen mit meiner Mutter und meinem Bruder nach Hameln. Ich war damals 14 Jahre alt.

Meine Familie sowie zwanzig andere Frauen mit ihren Kindern, zusammen etwa 70 Personen, wohnten im Arbeitslager der Vereinigten Wollwarenfabriken. Unsere Wohnstätte war in einer leeren Fabrikhalle eingerichtet, in der nur ein oder zwei Öfen standen, die kaum die Halle erwärmen konnten.

Zum Waschen waren zwei oder drei Waschbecken mit kaltem Wasser installiert. Das WC war auch skandalös. Unsere Schlafstätte bestand aus einstöckigen Pritschen. Die Strohsäcke waren ohne Betttücher. Zum Zudecken bekamen wir sehr dünn gewebte Decken, ohne Wollanteil. Ratten und Mäuse waren unsere ständigen Gäste.

Ein böser Geist des Lagers war ein SS-Offizier, der keine Uniform trug. Es kam vor, dass manche Frauen von ihm geschlagen wurden mit dem Vorwurf, dass sie zu wenig arbeiteten würden.

Das Schlimmste im Lager war der Hunger.

 
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Kap. 7.6.2

Unterkunft im Gemeinschaftslager Walkemühle

 

In der Walkemühle war ein Gemeinschaftslager untergebracht, in dem verschiedene Firmen, u.a. auch die Stadt Hameln, "ihre" Zwangsarbeiter untergebracht hatten.

 

Herr Jozef P., geb. am 5. März 1923 im Dorf Szeniawie, Polen.

Jozef P. arbeitete in der Eisengießerei Concordia.

Wir wohnten in einem Lager in einer zweistöckigen Baracke. In einem Raum wohnten achtzehn Personen, die Betten waren auch doppelstöckig. Im Lager waren auch welche, die in einer Flugzeugfabrik arbeiteten, und auch welche, die in einer nicht weit entfernten Mühle gearbeitet haben.

Vor Arbeitsbeginn und zum Arbeitsende wurden wir im Lager auf Vollzähligkeit überprüft. Das Lager war ca. einen Kilometer von der Fabrik Concordia entfernt.

Einmal hatte ich einen Arbeitsunfall, bei dem ich mir den Rücken verbrannte. Ich ging zum Arzt. Er schrieb mich für zwei Wochen krank. Ich sollte ins Krankenhaus, aber nach zwei Wochen bin ich aus Angst wieder zur Arbeit gegangen.

Einmal im Monat war Entlausung und Desinfektion der Kleider. Uns haben die Läuse sehr geplagt. Es waren große Viecher und es waren viele. Zum Essen gab es meistens Weißkohl und Steckrüben. Einmal pro Woche gab es Zigaretten und Zucker.

 
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Kap. 7.6.3

Lager der Reichsbahn

 

Nördlich der Bahngeleise nach Hannover im Bereich der Friedrich-List-Straße gab es ein Lager der Reichsbahn.

 
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Kap. 7.7

Die medizinische Versorgung

 

Die medizinische Versorgung der Zwangsarbeiter lag im Ermessen der gesetzlichen Krankenkassen. Sie konnte verweigert werden. In den großen Lagern , so auch im "Ostarbeiter"-Lager der Domag, existierten dürftig eingerichtete Krankenreviere mit russischen oder polnischen Schwestern und Ärzten.

Die ärztliche Leitung des Hamelner Stadtkrankenhauses (heute Kreiskrankenhaus Weser) lehnte die Unterbringung und Behandlung von Polen und "Ostarbeitern" in ihrem Hause mit Hinweis darauf ab, dass diese "verwanzt" seien.

Im April 1942 beantragte das Arbeitsamt deshalb die Aufstellung einer Baracke zur Behandlung der Ostarbeiter auf dem Gelände des städtischen Weserkrankenhauses.

Wegen des Widerstandes der Ärzte dauerte es ein volles Jahr, bis diese Baracke schließlich gebaut werden konnte – durch einen Bretterzaun vom Krankenhaus getrennt und versorgt durch einen russischen Arzt und über 20 Zwangsarbeiterinnen, die als Krankenschwestern arbeiteten.

Vereinzelt sind polnische Zwangsarbeiter im Krankenhaus an der Weser durch deutsche Schwestern und Ärzte behandelt worden. Die wenigen vorliegenden Berichte zeichnen davon ein positives Bild.

 
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