Zwangsarbeit in Hameln und im Kreis Hameln-Pyrmont

 

"Gesichter" - Ausländische Zwangsarbeit in und um Hameln 1939-1945

Ausstellung im Hamelner Münster
vom 9. September bis 13. November 2005

 

Kap. 3

Die zivilen ausländischen Arbeitskräfte

 

Kap. 3.1

Abstufungen unter den ausländischen Arbeitskräften

 

Das Regime unterschied innerhalb der in Deutschland arbeitenden Ausländer streng nach vier Gruppen:

Es gab die freiwilligen ausländischen Zivilarbeiter aus verbündeten oder neutralen Staaten. Sie waren den Deutschen gleichgestellt und konnten Deutschland nach Ablauf ihres Arbeitsvertrages jederzeit verlassen.

Darunter standen die Zivilarbeiter aus den besetzten Gebieten im Westen und Norden, besonders aus Belgien, Frankreich und den Niederlanden. Sie konnten ihren Arbeitsplatz in der Regel nicht verlassen, hatten aber einen gewissen Einfluss auf die Gestaltung ihrer Lebensbedingungen und mussten z. B. nicht in Lagern leben. Bei den Kriegsgefangenen aus dem Westen beachtete die Wehrmacht – anders als bei denen aus dem Osten – ihre Rechte aus der Genfer Konvention.

In weitem Abstand folgten die Zivilarbeiter aus Polen und der Sowjetunion, die längere Arbeitszeiten hatten und bei industriellem Einsatz in Lagern leben mussten. Als Angehörige slawischer Völker standen sie am Ende der NS-Rassenskala.

Ganz unten waren die sowjetischen Kriegsgefangenen, die italienischen Militärinternierten (die sog. IMI's), die Arbeitskräfte aus den Konzentrationslagern angesiedelt. Sie litten aufgrund der katastrophalen Lebens- und Arbeitsbedingungen unter extrem hoher Sterblichkeit.

 
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Kap. 3.2

Polen und "Ostarbeiter"

 

Zahlenmäßig die weitaus größte Gruppe unter den ausländischen Arbeitskräften waren die Zivilarbeiterinnen und Zivilarbeiter aus Polen und der Sowjetunion. Die "Ostarbeiter" machten 33 Prozent, die Polen 19 Prozent der ausländischen Arbeitskräfte aus.

Die Polen waren überwiegend in der Landwirtschaft eingesetzt, während die "Ostarbeiter" eher in der Industrie arbeiten mussten. Unter beiden Gruppen war der Frauenanteil besonders hoch, bei "Ostarbeitern" betrug er 57 Prozent.

Bemerkenswert ist die Altersstruktur der aus dem Osten kommenden Arbeitskräfte. Die "Ostarbeiterinnen" waren im Jahre 1944 durchschnittlich 21 Jahre alt, die männlichen "Ostarbeiter" nur unwesentlich älter. Man hat also vor allem Jugendliche und auch Kinder zur Arbeit nach Deutschland verschleppt.

Kap. 3.2.1

Das diskriminierende Sonderrecht für Polen und "Ostarbeiter"

 

Für die Polen und die Sowjetbürger galt ein diskriminierendes Sonderrecht. Sein deutlichster Ausdruck war die Kennzeichnungspflicht mit einem sog. "Volkstumskennzeichen".

 
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Viele Erlasse schränkten die Rechte der Polen und der Sowjetbürger empfindlich ein. Für die gleiche Arbeitsleistung erhielten sie viel einen geringeren Nettolohn als deutsche Arbeiter. Nach Abzug einer Sondersteuer sowie der Verpflegungs- und Unterbringungskosten blieb oft lächerlich wenig oder gar nichts übrig.

Der Kontakt zu Deutschen sollte auf ein Minimum beschränkt sein. Verboten waren das Verlassen des Arbeitsortes und die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel ohne amtliche Genehmigung, nächtlicher Ausgang, Besuch deutscher Veranstaltungen, Besuch von Gaststätten, Geschlechtsverkehr mit Deutschen (bei Todesstrafe) u. a. m.

Die Bestimmungen für die "Ostarbeiter" waren eher noch härter als für Polen.

Mit der Fortdauer des Krieges wurde der rechtliche Standard der Arbeitskräfte aus dem Osten etwas verbessert. Das galt besonders für die Ernährungssätze, die nun nach Leistung gestaffelt wurden. Das Verbot, die Lager nach der Arbeit zu verlassen, war im Dezember 1942 aufgehoben worden. Die Löhne der Ostarbeiter, obwohl auf dem Papier angehoben, waren und blieben deutlich geringer als die der Polen. In der Praxis änderte sich an den schlimmen Lebens- und Arbeitsbedingungen wenig.

 
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Kap. 3.3

Die rechtliche Diskriminierung der Polen und "Ostarbeiter"

 

Polen und "Ostarbeiter" mussten mit erheblich höheren Strafen rechnen als andere Ausländergruppen. Ab 1942 ging die Zuständigkeit für die Verfolgung von Straftaten von Arbeitskräften aus dem Osten komplett von der Justiz auf die Polizei und damit die Gestapo über.

Während Kriegsgefangene von Zivilisten nicht einmal gemaßregelt werden durften, waren bei "zivilen" Polen und "Ostarbeitern" anfangs sogar Prügel als Straf- oder "Erziehungsmaßnahme" erlaubt. Obwohl dies seit August 1942 offiziell verboten wurde, blieben Züchtigungen in der Praxis weit verbreitet und wurden durch die Polizei nicht geahndet.

Das wichtigste Disziplinierungsinstrument gegenüber den ausländischen Arbeitskräften waren die sogenannten Arbeitserziehungslager (AEL). Sie hatten den Charakter von Konzentrationslagern, nur mit dem Unterschied, dass der Aufenthalt in ihnen auf einige Wochen beschränkt war. Sie wurden von den örtlichen Gestapostellen eingerichtet. Die Einweisung erfolgte ohne Einschaltung der Justiz durch die Polizeibehörden, häufig auf Antrag der Unternehmen. Nach der Haft mit ihren unmenschlichen Lebens- und Arbeitsbedingungen kamen die Menschen oft psychisch und physisch zerstört in den Betrieb zurück. Das für Hameln-Pyrmont zuständige Arbeitserziehungslager war in Lahde an der Weser.

 
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Über organisierte Widerstandshandlungen von Zwangsarbeitern ist in Hameln nur sehr wenig bekannt. Es gab Arbeitsverweigerungen und Fluchtversuche, die Polizei und Gestapo mitunter fälschlicherweise als politischen Widerstand oder Sabotage deuteten. Es gab wohl auch Bummelantentum am Arbeitsplatz, aber Beispiele für bewussten und organisierten Widerstand aus politischer Überzeugung sind uns nur von den politischen Häftlingen aus dem Hamelner Zuchthaus bekannt.

 
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Kap. 3.4

Urlaub für polnische Arbeitskräfte

 

Zunächst wurde polnischen Arbeitskräften unter besonderen Auflagen in arbeitsschwachen Zeiten Urlaub gewährt. Dafür standen Sonderzüge zur Verfügung.

Seit dem 24. März 1943 wurde Urlaub nicht mehr gewährt.

Die aus der Sowjetunion stammenden "Ostarbeiter" hatten grundsätzlich keinen Anspruch auf Urlaub.

 
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Kap. 3.5

Die kirchliche Betreuung der Polen

 

Selbst in der Kirche sollte es keinen Kontakt zwischen Deutschen und Ausländern geben. Für die katholischen Polen und die Katholiken unter den Ukrainern bedeutete das Verbot, deutsche Gottesdienste zu besuchen, eine besonders stark empfundene Diskriminierung.

Die Amtshandlungen deutscher Pfarrer beschränkten sich auf Beerdigungen und Taufen.

Eine religiöse Betreuung der "Ostarbeiter" war grundsätzlich nicht vorgesehen.

 
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Kap. 3.5.1

Sondergottesdienste für Polen in Hämelschenburg

 

Sondergottesdienste für Polen waren seit 1943 gestattet und einzelne sind für den Landkreis auch belegt, so für Oldendorf. Bei diesen Gottesdiensten war der Gebrauch der polnischen Sprache in der Messe und in der Beichte untersagt.

Da für die Sondergottesdienste der Polen oft kein Seelsorger zur Verfügung stand, hatten die Menschen während ihrer Zeit in Deutschland häufig gar keine Möglichkeit, an einem Gottesdienst teilzunehmen.

In Hämelschenburg setzte der Schlossherr Georg von Klencke durch, dass im Eingangsbereich des Schlosses Sondergottesdienst für die Polen stattfinden konnten. Der Priester kam dafür aus Hildesheim.

Der Vorgang beschäftigte den Landrat des Kreises Hameln-Pyrmont und die Gestapo. Die Polen, die aus einer Entfernung von bis zu 25 Kilometern kamen, mussten per Unterschrift "versprechen, auffällige Zusammenrottungen auf der Straße zu vermeiden".

Da im Landkreis Hameln-Pyrmont damals nur wenige katholische Kirchen existierten, befürchteten die Behörden, jede Genehmigung hätte eine kaum kontrollierbare Zahl polnischer Kirchgänger quer durch den Landkreis in Bewegung gesetzt.

Aus der Stadt Hameln sind keine katholischen Sondergottesdienste bekannt. Der verantwortliche Ortsgeistliche soll an der kirchlichen Betreuung der Polen nicht interessiert gewesen sein. So kam es vor, dass sich mutige Gläubige unter die deutschen Messgänger mischten.

 
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Kap. 3.6

"Wie verhalten wir uns gegenüber den Polen?"

 

Polnische Arbeitskräfte waren traditionell als Saisonarbeiter in Deutschland beschäftigt gewesen und wurden früher in der Regel nicht anders als Deutsche behandelt.

Die Nationalsozialisten wollten nun die Deutschen zu einem anderen Verhalten erziehen. Sie beschränkten deswegen den Umgang mit den Ausländern aus dem Osten auf ein Minimum. Verboten war den Ausländern nächtlicher Ausgang, Besuch deutscher Veranstaltungen und von Gaststätten. Geschlechtsverkehr mit Deutschen war bei Todesstrafe verboten. Deutsche Frauen wurden mit mindestens einem Jahr Zuchthaus bestraft.

Die Zeitungen sind voll von Berichten, die vor dem privaten Umgang mit den Ausländern warnen sollten.

 
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