Zwangsarbeit in Hameln und im Kreis Hameln-Pyrmont

 

"Gesichter" - Ausländische Zwangsarbeit in und um Hameln 1939-1945

Ausstellung im Hamelner Münster
vom 9. September bis 13. November 2005

 

Kap. 16

"Mein Bruder wurde auf dem Ausländerfriedhof in Hameln beerdigt" –
Begräbnisstätten der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter

 

1944 stieg die Sterblichkeit unter den Zwangsarbeitern stark an. Die Lager waren überfüllt. Ernährung und Hygiene und in der Folge der Gesundheitszustand der Zwangsarbeiter verschlechterten sich dramatisch. Viele Zwangsarbeiter litten unter Hungerödemen, offenen Entzündungen und Hautkrankheiten. In den Lagern, vor allem im "Fremdvölkischen Kinderheim" in Hemeringen, starben zahlreiche Kinder.

Eine Auswertung der Totenscheine der verstorbenen Zwangsarbeiter ergibt, dass mehr als die Hälfte von ihnen an Tuberkulose, Lungenentzündung und "Lebensschwäche" starb, sämtlich typische Folgen von Mangelernährung und körperlicher Überlastung.

Den Luftangriffen der letzten Kriegsmonate und dem Artilleriebeschuss durch die Amerikaner während der letzten Kriegstage sind die Zwangsarbeiter schutzlos ausgesetzt. Daran müssen zahlreiche Personen sterben.

Die in Hameln gestorbenen Zwangsarbeiter wurden am Kriegsende in Massengräbern beigesetzt.

 
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Kap. 16.1

Begräbnisse von Zwangsarbeitern

 

Herr Kazimierz W., geb. am 12. Februar 1924 in Cielce, Kreis Turek, Wojewodschaft Posen, Polen.

Als mein Bruder krank wurde, kam er ins Krankenhaus nach Hameln. Dort starb er am 24. August 1943. Am 27. August 1943 wurde er auf dem Ausländerfriedhof in Hameln beerdigt.
Es war ein Pfarrer dabei, der allen am Schluss die Hand gegeben hat.

 

Herr Stanislaw S., geb. im Jahre 1931 im Dorf Baszkow, Kreis Sieradz, Polen.

In den Morgenstunden am 7. September 1943 hat uns Herr B. die Nachricht vom Tod unserer Mutter übermittelt. Am nächsten Tag kam die Nachricht, dass auch unser Bruder Stefan verstorben ist. Die Mutter lag zwei Wochen in Hameln im Krankenhaus. Bei der Beerdigung waren meine Schwester, mein Vater und ich anwesend.

Da ich sehr geweint habe, hat mein Vater gebeten, den Sarg zu öffnen und uns die Mutter zu zeigen. Der Sarg wurde geöffnet und in einem Abstand von etwa zwei bis drei Metern schauten wir in den Sarg. Ich kann mich noch gut erinnern, dass die Mutter sehr abgemagert war und dass an der rechten Seite etwas Größeres lag, eingewickelt in Mullbinden. Das war der Bruder Stefan.

Dann ging es weiter zum Acker, wo die Grube schon ausgehoben war, und eine Platte lag schon daneben, mit dem Namen der Mutter. Dort war auch das Denkmal der Gefallenen aus dem 1. Weltkrieg.

 

 
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Kap. 16.2

Hameln, Friedhof Wehl

 

In Hameln und der Umgebung gibt es mehrere Begräbnisstätten von Zwangsarbeitern. Die größte befindet sich auf dem Friedhof Wehl. An seinem Rande liegt ein großes Gräberfeld – knapp 900 Menschen sind hier bestattet.

Der Platz diente zunächst als Kriegsgräberfeld für etwa 600 russische und serbische Kriegsgefangene aus dem 1. Weltkrieg.

Während des 2. Weltkrieges hat man diesen Ort genutzt, um auf den Gräbern aus dem 1. Weltkrieg gefallene alliierte Soldaten und Zwangsarbeiter zu bestatten.

Die Leichname westlicher Nationen (Niederländer, Belgier, Franzosen, Briten, US-Amerikaner), die hier ursprünglich beerdigt worden waren, wurden nach 1945 exhumiert und in ihre Heimatländer geschafft bzw. in zentralen Friedhöfen vereinigt.

Hier liegen nun über 300 polnische, russische und ukrainische Zwangsarbeiter, darunter zahlreiche Frauen, Kinder und Säuglinge.

Die Grabstelen mit den nach Nationen sortierten Namen wurden vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge in den 1950er Jahren nach rein dekorativen Gesichtspunkten gesetzt. Die Angaben zu Geburts- und Todestagen sind häufig unvollständig.

Einige Grabsteine sind einzelnen Menschen gewidmet. Angehörige haben sie auf eigene Kosten nach dem Kriege gesetzt, um einen Ort der Erinnerung zu haben. Auch diese Steine stehen nicht am Ort des Toten, dessen sie gedenken.

 
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Kap. 16.3

Einzelgräber von Zwangsarbeitern in der Umgebung

 

Kap. 16.3.1

Grab eines russischen Zwangsarbeiters in Holtensen

 

Oberhalb des Ortes in westlicher Richtung am Lengeberg liegt ein einzelnes Grab. Es war lange unklar, wer hier bestattet liegt. Die Einwohner von Holtensen sprachen von einem Polengrab

Während des Krieges waren auf den Höfen in Holtensen polnische und sowjetische Landarbeiter beschäftigt. Einer von ihnen war der Russe Alexander N., der seit Ende 1944 auf dem Hof von Karl J. arbeiten musste. Alexander N. war Lehrer, wohnte früher in Moskau und sprach etwas Deutsch.

Die Tochter von Karl J. erinnert sich an die Umstände von Alexanders Tod. Ende März 1945, kurz vor Ende der Kampfhandlungen in Hameln, waren auf dem Hof ihres Vaters Soldaten einquartiert. Es soll sich um die Soldaten gehandelt haben, welche die Sprengungen der Hamelner Weserbrücken vorbereitet und durchgeführt haben. Die Soldaten mussten täglich zum Appell stramm stehen. Im Hintergrund standen dann die russischen Zwangsarbeiter und haben sich angesichts des so kurz bevorstehenden Kriegsendes über die deutschen Soldaten "schief gelacht" und – allen voran Alexander N. –entsprechende Bemerkungen gemacht. Unter den Wehrmachtssoldaten war ein Lette, der russisch sprach. Der hat verstanden, was Alexander sagte und dem Wehrmachtsoffizier weitergegeben.

Alexander wurde festgenommen. Es ist nicht auszuschließen, dass es ein Standgerichtsurteil gegen ihn gegeben hat. Abends wurde beobachtet, wie ihn zwei Soldaten aus dem Dorf herausführten und in einem ehemaligen Steinbruch, der als Müllkippe diente, erschossen. Sein Leichnam wurde zunächst verscharrt und dann dort, wo er erschossen wurde, begraben.

Über 50 Jahre lang wurde das Grab von Frau O. und anschließend von ihrer Tochter Meta W. gepflegt. Als Grund gab Frau O. an, ihr Bruder sei im Krieg in Russland gefallen und habe dort kein Grab erhalten. So pflege sie nun dieses Grab stellvertretend.

Es ist jetzt dafür gesorgt, dass das Grab von Bewohnern des Ortes dauerhaft gepflegt wird und demnächst auch einen Stein erhält.

 
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Kap. 16.3.2

Grab eines ehemaligen polnischen Kriegsgefangenen in Emmern

 

Auf dem Friedhof in Emmern liegt das Grab eines ehemaligen polnischen Kriegsgefangenen. Es handelt sich um den Polen Alexander K. Alexander K. kam nach Kriegsende Ende Juni 1945 bei einem Unfall mit dem Motorrad ums Leben.

Das Grab wird von der Gemeinde Emmerthal gepflegt.

Die Inschrift auf dem Stein ist inzwischen so verwittert, dass sie nicht mehr lesbar ist.


Kap. 16.4

Forellental bei Hemeringen

 

In Forellental bei Hemeringen sind oberhalb des Ortes am Waldrand sechs sowjetische Kriegsgefangene aus dem Hemeringer Lager beigesetzt worden. Ihre Namen auf den Holzkreuzen sind sehr fehlerhaft geschrieben.

 
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Kap. 16.5

Gräberfeld in Bodenwerder

 

In der Nähe der Schütte-Hütte befindet sich in Bodenwerder im Wald ein kleines Gräberfeld, auf dem zwei Frauen, drei Männer und ein im Alter von drei Wochen verstorbenes Kind bestattet sind. Sie stammen alle aus der Sowjetunion.

Italienische Zwangsarbeiter, die hier bestattet waren, wurden nach Kriegsende exhumiert und in ihre Heimat überführt.


Kap. 16.6

Kriegsgräberfeld in Rehren

 

In Rehren oberhalb der Autobahn richtete das Landesarbeitsamt Hannover im Herbst 1942 ein Lager für kranke sowjetische Zwangsarbeiter ein. Aus dieser Zeit liegen hier 307 Tote, die fast alle an Lungentuberkulose gestorben sind.

Da Bestattungen von polnischen und russischen Zwangsarbeitern auf Friedhöfen für Deutsche nicht gestattet waren, wurden häufig jüdische Friedhöfe zur Bestattung von Zwangsarbeitern genutzt.


Kap. 16.7

Massengrab auf dem jüdischen Friedhof Hattendorf

 

Auf dem jüdischen Friedhof Hattendorf liegen in einem Massengrab 72 russische Tote.


Kap. 16.8

Hessisch Oldendorf auf dem jüdischen Friedhof

 

Auf dem jüdischen Friedhof in Hess. Oldendorf findet sich der Grabstein von Teofil J., geb. 1.1.1894, gest. 13.3.1944. Sein Grabstein trägt mit dem Kreuz ein christliches Symbol.

 
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