Zwangsarbeit in Hameln und im Kreis Hameln-Pyrmont
Der Besuch der ehemaligen Zwangsarbeiterinnen
Merem Osmanowa, Marija Sapliwaja und Marija Titowa
aus der Ukraine in Hameln
vom 27. Oktober bis 2. November 2006
Die Gäste
Merem Osmanowa
Marija Saplijawa
Marija Titowa
Marija Saplijawa
Frau Marija Sapliwaja aus dem Dorf Stepanowka (Chmelnizker Gebiet, Westukraine) kam in Begleitung ihrer Enkelin Nataliya Bodnar. Marija musste in der Holzwarenfabrik Sinram & Wendt arbeiten. Das Foto, das Marija Sapliwaja mit dem "OST"-Abzeichen zeigt, stammt aus den Anmeldeunterlagen des Landkreises Hameln-Pyrmont. Das rechte Foto zeigt sie im Kreis ihrer Familie vor ihrem Haus in Stepanowka.

Marija Sapliwaja (Foto links Kreisarchiv Hameln-Pyrmont)
Brief von Marija Sapliwaja an Bernhard Gelderblom (vom August 2001)
Marija Michailowna Sapliwaja
Stepanowka, Gemerowezki Bezirk,
Chmelnizker Gebiet,Ukraine 31600
Sehr geehrter Herr Gelderblom,
ich und meine Verwandten wünschen Ihnen Gesundheit und alles Gute in Ihrem Leben. Übermitteln Sie bitte Frau Menzel meinen großen Dank für die Hilfe beim Suchen der Dokumente über meine Arbeit in Deutschland. Als ich Ihren Brief erhielt, weinte ich vor Freude. Ich versuche Ihnen über meinen Aufenthalt in Deutschland zu schreiben.
Ich, Marija Michailowna, wurde 1927 im Kamenz-Podelsky-Gebiet, Smotritschewskij Bezirk im Dorf Bolschoi Karabtschiew geboren. 1942 beendete ich die 8. Klasse der Schule und am 24. November wurde ich nach Deutschland verschleppt. Ich war 15 Jahre alt und kleinwüchsig. Die Fahrt war sehr schwer; bis dahin hatte ich sogar keinen Zug gesehen. Wir fuhren zwei Wochen und wurden in die Stadt Hameln gebracht. Dort wurden wir zwei mal durch die Gesundheitskommission geprüft, aber niemand wurde nach Hause geschickt.
Ich und noch neun Menschen wurden in die Möbelfabrik Sinram & Wendt geschickt. Aus meiner Gegend waren noch zwei Frauen. Eine ist statt ihrer Mutter gefahren. Aber später wurde auch die Tochter weg geschleppt. Diese Frauen leben schon nicht mehr.
In der Fabrik arbeiteten einige Monate etwa zwanzig Männer mit uns zusammen. Später wurden zehn Menschen in eine andere Stadt weggebracht. Bis zum Ende des Krieges blieben wir elf zusammen. Mit uns war noch eine Dolmetscherin – Walja. Sie war aus der Krim. Ich arbeitete an einer Werkzeugmaschine, wo das Gewinde zum Einschrauben der Haken in die Bügel geschnitten wurde.
Man hat uns gesagt, dass wir 500 Kilometer von Berlin entfernt waren, seitlich befand sich Hamburg und 30 Kilometer entfernt von uns war Hannover.
Wir wohnten im Lager, das sich neben der Fabrik befand. Dort gab es einen kleinen Flur, das Speisezimmer und unser Schlafzimmer. An der anderen Seite befand sich das Speisezimmer für die Deutschen. Zwei bejahrte Italiener brachten uns das Essen aus der Stadt. Wir hatten aber wenig zum Essen, wir waren immer hungrig und unsere Arbeit war sehr schlecht bezahlt. Ich und noch ein Mädchen gingen an den Ruhetagen zur Arbeit, um etwas Geld zu verdienen. Wir putzten in der Wohnung oder arbeiteten im Gemüsegarten.
In der Fabrik über dem Verwaltungsbüro wohnte unser Meister mit seiner Frau. Er hieß Rener. Er machte die Aufsicht über uns und erlaubte uns nicht, mit anderen Leuten zu verkehren. Sowieso blieben wir im Lager. Wir fürchteten uns vor der Polizei. Wir waren gezwungen, Zuckerrüben auf dem Bahnhof zu klauen. Dann kochten wir sie und aßen. So überlebten wir diese schwere Zeit.
Manchmal kamen Deutsche zur Erholung. Hinter dem Stacheldraht wuchsen große Erdbeeren. Dort stand ein kleines Häuschen. Dahinter war ein Kraftwerk gebaut, das für einige Städte Strom lieferte und das von den Amerikanern bombardiert wurde. Leider habe ich weder Fotos noch Briefe aus der Zeit. Ein alter Deutscher, der an einer Werkzeugmaschine arbeitete, hat mir einen hölzernen Pilz zum Stopfen ausgeschnitten und sagte: "Nimm, Mariechel, zum Andenken. Das wird Dich in der Ukraine an mich erinnern." Und ich bewahre diesen Pilz bis jetzt auf.
Die Amerikaner befreiten uns. Zuerst fürchteten wir uns vor ihnen. Sie waren dunkelfarbig; früher hatten wir solche Menschen nie gesehen. Nach der Befreiung brachte man uns in ein großes Lager, dann zur Elbe. Da die Brücke kaputt war, mussten wir über Schiffe auf die andere Seite gehen. Dann kamen wir nach Berlin. Die Fahrt nach Hause dauerte einen Monat. In meinem Heimatdorf beendete ich die 9. Klasse, dann studierte ich an der Fachschule. Später arbeitete ich im Dorf Stepanowka. Jetzt bin ich Rentnerin, habe vier Kinder.
Auf Wiedersehen. Ich werde Gott bitten, Ihnen Glück und Gesundheit zu bescheren.
