Zwangsarbeit in Hameln und im Kreis Hameln-Pyrmont

 

Der Besuch der ehemaligen Zwangsarbeiterinnen
Merem Osmanowa, Marija Sapliwaja und Marija Titowa
aus der Ukraine in Hameln
vom 27. Oktober bis 2. November 2006

 

Die Gäste

 

  Merem Osmanowa
  Marija Saplijawa
  Marija Titowa

 

Merem Osmanowa

 

Frau Merem Osmanowa kam aus Simferopol (Krim) in Begleitung ihres Sohnes Refat Osmanow. Das linke Foto zeigt sie mit ihrer Tochter in ihrer Wohnung in Simferopol. Das rechte Foto zeigt Merem Osmanowa (links) als junges Mädchen auf dem Hof Kropp in Tündern zusammen mit den Kindern des Bauern im Jahre 1942.

 

 

Brief von Merem Osmanowa an Bernhard Gelderblom (vom 20. März 2001)

 

Frau Merem Osmanowa

Ul. Utschan-Su 21, 95044 Simferopol
Krim, Ukraine

 

Sehr geehrter Herr Bernhard Gelderblom,

 

Ich, Osmanowa, Merem, am 21. Mai 1929 geboren, wohnte auf der Krim, Kuibyschewer Bezirk, Dorf Bogatyr.

Am 13. September war ich 13 Jahre alt, hatte vier Klassen beendet. Wir, ich und noch einige Mädchen, gingen durch die Straße und wurden plötzlich gefasst, in ein Auto gesteckt und in die Stadt Bachtschissarai gebracht. Dort hat man uns in einen Güterwagen hineingesteckt und nach Deutschland gebracht.

Wir kamen in die Stadt Hameln. In der Stadt wurden wir in ein Gebäude gebracht. Dorthin kamen Landwirte und nahmen uns zur Arbeit auf ihren Hof. Mich hat eine Frau namens Emma Kropp genommen. Sie hatte mich in einem Kastenwagen mit eingespanntem Pferd in das Dorf Tündern nicht weit von Hameln gebracht.

Frau Emma Kropp lehrte mich Geflügel und Schweine füttern und nahm mich zu den Feldarbeiten mit. Wir pflanzten Weizen und Zuckerrüben. Ich machte im Hause Ordnung und musste auf die Kinder aufpassen. Die Tochter hieß Irma und der Sohn Friedrich. Die Arbeitsbedingungen waren ganz erträglich.

Bei meiner Wirtin arbeitete auch eine Familie aus Polen. Der Mann pflegte die Pferde, die Frau molk die Kühe. Die Familie Kropp hatte ein zweistöckiges Bauernhaus, ein großes Grundstück und viel Vieh. Ich hatte ein Zimmer für mich.

Nach Kriegsende – uns haben die Amerikaner befreit – kamen die Sowjetsoldaten. Sie haben alle Sowjetmenschen in einem Lager an der Elbe gesammelt. Dort haben sie uns Dokumente eingehändigt und uns nach Hause geschickt.

Da alle meine Verwandten (von Stalin) aus der Krim ausgewiesen worden waren, schickte man mich nach Usbekistan. In der Stadt Taschkent fand mich meine Schwester. Das war 1945 im Dezember. Ich muss hinzufügen, dass meine Eltern von Krimtataren abstammen. Meine Schwester wohnte in der Stadt Jangigul; ich wohnte bei ihr. Meine Eltern lebten im Ural.

Meinen Aufenthalt in Deutschland habe ich geheim gehalten, weil man solche Leute, wie wir es waren, Helfer der Faschisten und Verräter nannte.

Das Leben ging weiter. Ich habe geheiratet und habe jetzt vier Söhne und eine Tochter. Sogar meine Kinder wussten nicht, dass ich Zwangsarbeiterin in Deutschland gewesen bin. Mein Jüngster hat darüber von meiner Schwester erfahren. Erst 1990 kamen wir zurück auf die Krim in die Stadt Simferopol. Wir haben es im Laufe von zehn Jahren nicht geschafft, uns ein Haus zu bauen. Wir wissen und wussten nichts von der Entschädigung.

In den Dokumenten des Archivs wurde nichts darüber ausgesagt, wo ich gearbeitet habe und welche Arbeiten ich gemacht habe. Wir waren gezwungen, den Brief an den Bürgermeister der Stadt Hameln zu schreiben. Mit seiner Hilfe wurde die Tochter meiner Wirtin, Irma Gold, gefunden. Sie wurde am 19. Mai 1932 in Selxen geboren. Sie bestätigte, dass ich bei ihren Eltern gearbeitet habe.

 
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