Das Zuchthaus Hameln in der NS-Zeit

und in der Nachkriegszeit

 

Das Zuchthaus Hameln in der NS-Zeit

Ein Überblick

Das Anstaltspersonal

 

Da die Generalakten des Zuchthauses bisher nicht erschlossen sind, ist das Anstaltspersonal nahezu unerforscht.

Das Zuchthaus Hameln galt bei den Häftlingen im Gegensatz zu den Zuchthäusern Celle und Wolfenbüttel als eine eher milde Anstalt ("Kinderbewahranstalt"), dies wohl deswegen, weil Hameln erst 1935 Zuchthaus wurde und im wesentlichen das alte Personal behielt.

Dies änderte sich erst mit Kriegsbeginn. Der Häftling Rudi Goguel beschreibt den Wandel in der Zusammensetzung des 70-80 Mann starken Zuchthauspersonals:

"Durch die kriegsbedingten Ereignisse sind zahlreiche Beamte eingezogen. Das Arbeitsamt hat irgendwelche Zivilisten an die Anstalt dienstverpflichtet.

Seht, da erscheint eines Tages ein Gastwirt aus Klein-Berkel, ein Bauer aus Rumbeck, ein invalider Ziegelbäcker aus Aerzen und tritt seinen Dienst an. Bald wird das Kontingent dieser "Hilfsaufseher" über 20 Mann betragen, bei einer Gesamtstärke des Aufsichtspersonals von 70 bis 80 Beamten. So entwickeln sich die Hilfsbeamten zu einem Element des gesunden Menschenverstandes gegenüber dem Paragraphentum der Justizbehörde.

Aber auch unter den Berufsbeamten weist Hameln einen großen Prozentsatz Vertreter einer ausgesprochen humanen Richtung auf. Es scheint der "Stockhof" trotz seines mittelalterlichen Namens eine Atmosphäre auszuströmen, die von anderen Anstalten merklich verschieden ist. Ein nach Hameln versetzter Celler Beamter ist meist nach zehn Worten an der brüllenden Kommandostimme zu erkennen.

Unsere ausgesprochenen Feinde sind neben jungen SA-Männern, die seit Jahren als Hilfsbeamte fungieren, vor allem von der Front zurückgekehrte frontunfähige Soldaten - besonders jüngere Jahrgänge. Meist fanatische Nazis, meist brutal und skrupellos nach unten, zackig und aufstiegsbereit nach oben, machen sie uns das Leben schwer. Sie werden allerdings erst in den letzten Kriegsjahren in den Vordergrund treten. Vorläufig sind sie Einzelfiguren."

Goguel, S. 100f

 

Anstaltsleiter ist lange Dr. Engelhardt, später der SS-Mann Siegfried Stöhr. Über Stöhr gibt Goguel eine differenzierte Stellungnahme ab:

"Über allem thront der 'Neue', Regierungsrat SS-Mann Stöhr, der sich in diesem Sumpf von Humanität und gesundem Menschenverstand denkbar unbehaglich fühlt. Seine strengen Verfügungen pflegen irgendwie im Sande zu versickern, seine Versuche, aus Hameln eine SS-Musteranstalt zu machen, bleiben irgendwie stecken."

Goguel, S. 101

 
Etwas deutlicher tritt der Oberlehrer Karl Ostermeyer hervor. In den Häftlingsakten sind seine Entwürfe zu Gnadengutachten und Entlassungsgutachten aufbewahrt. Diese werden von der Anstaltsleitung regelmäßig ohne Änderung übernommen. Auch entgegen positiven Stellungnahmen der Hauptwachtmeister hat Ostermeyer in aller Regel bei politischen und homosexuellen Häftlingen sehr harte Gutachten entworfen, die dann nach Abzeichnung durch den Anstaltsleiter dazu beitrugen, dass Gnadengesuche abgelehnt wurden und zur Entlassung anstehende Häftlinge ins KZ "verschubt" wurden.

In den letzten Kriegsmonaten waren die Verhältnisse im Zuchthaus katastrophal. Durch unzureichende Ernährung und Bekleidung, ungenügende Hygiene und fehlende ärztliche Versorgung traten bei den Häftlingen in verstärktem Maße Tuberkulose, Entkräftung und Herzkrankheiten auf. Viele Strafgefangene starben in dieser Zeit. Welchen Spielraum Personal und Leitung des Zuchthauses hatten, das Los der Häftlinge zu verbessern und welche Verantwortung sie für die schrecklichen Zustände gegen Kriegsende tragen, lässt sich heute noch nicht beurteilen.

 
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