Das Zuchthaus Hameln in der NS-Zeit
und in der Nachkriegszeit
Das Zuchthaus Hameln in der NS-Zeit
Ein Überblick
Werkstätten und Häftlingsarbeit
Die Gefangenenarbeit zielte auf die vollständige Ausbeutung der Arbeitskraft von Strafgefangenen.
Die Häftlinge des Zellenbaues klebten, solange sie in Einzelhaft waren, in ihren Zellen Tüten für die Papierverarbeitungswerke Ernst C. Behrens, Alfeld.
Daneben gab es in den großen Räumen des Altbaus mehrere Werkstätten:
-
Die Abteilung I zum "Bindfadenentknoten"
-
Die Abteilung II, ein großer Tütenklebesaal, der Papierverarbeitungswerke Friedrich Serong, Höxter,
-
Die Abteilung IV, die Pantoffelmacherei der Hamelner Firma Marquard und Pigge.
Andere Häftlinge arbeiteten in der Zuchthausschneiderei, im Holzhof, in einer Werkstatt zur Herstellung von Peitschenschnüren u. a. m.
In steigendem Maße wurden Häftlinge in Kommandos von 15-20 Mann zu Erntearbeiten auf die Dörfer geschickt, aber auch zu Steinbrüchen und Gleisbauarbeiten. Sie brachten pro Mann und Tag 3 Mark Gewinn für das Zuchthaus.
Seit Kriegsbeginn verschärften sich die Arbeitsbedingungen. Strafgefangene wurden verstärkt in der Rüstungsproduktion eingesetzt. Häftlingskommandos gab es bei der Eisengießerei Concordia, der Waggonfabrik Kaminski, der Teppichfirma Mertens, die Flugzeugteile herstellte und bei der Domag, dem größten Hamelner Rüstungsbetrieb.
Die Wochenarbeitszeit der Häftlinge war von 66 auf 72 Stunden erhöht worden. Bei zu geringer Arbeitsleistung gab es drastische Hausstrafen wie Essensentzug, Absonderung oder Dunkelhaft.
Am 15. Juni 1944 wurde das Zuchthaus im Rahmen der totalen Kriegsführung zum Rüstungsbetrieb erklärt. Die Produktion fand in den eigens umgebauten Werkstätten im südlichen Teil des Geländes statt. Für die Häftlinge bedeutete das Besuchs- und Schreibverbot.
Der Häftling Rudi Goguel über Rüstungsproduktion im Zuchthaus und außerhalb
"Die Domag ist ein neues Rüstungskommando. Es ist der Ehrgeiz des Chefs, einen möglichst großen Prozentsatz der Gefangenen in der Rüstung arbeiten zu lassen. Und das ist mehr als bloßer Ehrgeiz. Denn Stöhr kalkuliert ganz folgerichtig, dass die 'Rüstungsgefangenen' von der über Deutschland sich wälzenden Musterungswelle verschont bleiben. Hameln braucht also nicht zu befürchten, eines Tages wegen Mangels an Menschenmaterial seine Pforten schließen zu müssen. Hier kämpft jeder um seine Existenz und UK-Stellung. Warum nicht auch der Gewaltige persönlich?
Das Domag-Kommando wird bald auf 100 Mann gebracht werden und wird ein wichtiges Verbindungsglied zwischen diesem Hamelner Großbetrieb mit fast 2000 Mann Belegschaft - darunter die Mehrzahl Ausländer - und uns Gefangenen darstellen. ... Unseren Genossen in diesen Betrieben fällt die Aufgabe zu, unter den Belegschaften den Boden für künftige Solidaritätsaktionen vorzubereiten."
Goguel, S. 124f