Das Zuchthaus Hameln in der NS-Zeit

und in der Nachkriegszeit

 

Das Zuchthaus Hameln in der NS-Zeit

Die Verfolgung Homosexueller

Hans Bielefeld – Lebenslauf

 

 

  1909   Geboren in Berlin

Schulzeit in Hameln

  1927   Abitur am Gymnasium für Jungen

Lehramtsstudium und anschließend Tätigkeit als Hauslehrer

Dem bündischen Denken und der bündischen Jugend stark verbunden

  1933   Mitglied der Hitlerjugend

  1940   Lehrer in einem Landschulheim in der Lüneburger Heide

Begeisterter Lehrer und Anhänger der Reformpädagogik, der ganze Tag mit seinen Schülern verbringt und mit ihnen im Sommer auf Fahrt geht

1940 wird eine Beziehung zu einem seiner Schüler bekannt.
Bielefeld zeigt sich daraufhin selbst an, wird verhaftet und verbringt elf schlimme Monate in Untersuchungshaft im Gerichtsgefängnis in Hannover.

  1941   19.1.1941 Prozess vor dem Landgericht in Hannover
Bielefeld bekennt sich offen zu seiner Homosexualität.

Bielefeld wird zu der außerordentlich hohen Strafe von vier Jahren Zuchthaus verurteilt.

  1941-1945   Zuchthaushaft

Emslandlager

Dort wurden Homosexuelle mit Vorzug eingewiesen. Die harte Arbeit im Moor sollte Homosexuelle, die man für "verweichlicht" hielt, umerziehen.

Aus dem Moorlager wurde Bielefeld als mooruntauglich entlassen.
Die Haft hatte seine Augen fast erblinden lassen.

Zuchthaus Celle

Zuchthaus Hameln (seit Sommer 1944)
Hier erlebt Bielefeld das Chaos der letzten Monate. Er ist mit seinem Buch "Durch das dunkelste Abendland" ein getreuer Chronist der entsetzlichen Zustände im Hamelner Zuchthaus gegen Kriegsende, denen über 300 Häftlinge zum Opfer fallen.

  1945   Das Kriegsende rettet ihm das Leben, denn es war geplant, ihn nach seinem
Strafende am 19.3.1945 in ein Konzentrationslager einzuweisen.

Die Kripoleitstelle Hannover am 13.2.1945 an den Kripo-Außenposten Hameln:

"Bielefeld sitzt im dortigen Zuchthaus ein und kommt am 19.3.1945 zur Entlassung. Gegen ihn werde ich im Anschluss an die Strafverbüßung die polizeiliche Vorbeugungshaft anordnen.

Ich bitte, Bielefeld am Entlassungstage erneut festzunehmen und mit dem nächsten Sammeltransport in das Polizeigefängnis Hannover zu überführen."


Bielefeld wurde im Zuchthaus Hameln noch in "Vorbeugungshaft" genommen und nur aus Mangel an Transportmöglichkeiten nicht in ein KZ "verschubt".

  Nach 1945   Als Folge der langen Haft ist Bielefeld nahezu vollständig erblindet.

Eine Tätigkeit in seinem Beruf als Lehrer ist ihm wegen der Fortdauer des
Paragraphen 175 verwehrt.

  1948-1950   Tätigkeit als Dozent bei der Volkshochschule Hameln

  1950   Erscheinen des Buches: "Durch das dunkelste Abendland"

Ermittlungen gegen Bielefeld wegen des Verdachts der Verbreitung unzüchtiger Schriften

Entlassung aus seiner Tätigkeit bei der Volkshochschule

Dauerhafte Zerstörung seiner beruflichen Existenz

 
Bild
 

Hans Bielefelds Verhalten in der Untersuchungshaft und während des Prozesses
vor dem Landgericht

 

Nachdem eine Beziehung zu einem seiner Schüler bekannt geworden war, zeigte Bielefeld sich selbst an.

"Ich tat, was mir meine Ehre zu tun gebot, und stellte mich dem Staatsanwalt. Und ahnungslos und unbefangen ... begab ich mich in eine Situation, die mir alle meine Illusionen von Menschenwürde, Ehre und Gerechtigkeit gründlichst zerstören sollte. ... Ich kannte das Grauen nicht und glaubte an keine Hölle mehr. Das war mein unverzeihlicher Fehler."
Bielefeld, Durch das dunkelste Abendland, S. 7

 
Strenge Einzelhaft war üblich für homosexuelle Häftlinge. Bielefeld litt auch stark unter der Brutalität der Verhöre. Seinem Geständnis, eine Beziehung zu einem Jungen gehabt zu haben, glaubte man nicht und forschte nach weiteren Kontakten.

 
Beim Prozess vor dem Landgericht in Hannover am 19.1.1941 bekannte sich Bielefeld offen zu seiner Homosexualität und kämpfte gegen ihre Strafbarkeit. Gegenüber dem damals weit verbreiteten Stereotyp, zur Homosexualität werde man verführt, betonte er ihre Natürlichkeit.

"Ich habe im Studium der Psychologie und in der ernsthaften Betrachtung der Sozial- und Kulturgeschichte der abendländischen Menschheit die feste Überzeugung erworben, dass die männliche Freundschaft ein sittliches Phänomen und ein Kraftzentrum ohnegleichen darstellt."

Bielefeld, Durch das dunkelste Abendland, S. 38

"Freispruch oder Todesstrafe, das war meine Alternative."

Bielefeld, Durch das dunkelste Abendland, S. 8

 
Sein Schlusswort im Prozess nach dem Plädoyer des Staatsanwalts, der acht Jahre Zuchthaus fordert, lautet:

"Ich habe in meiner Arbeit für die Jugend mich mein Lebtag als Offizier gefühlt und die Ehrauffassung dieses Standes zu meiner eigenen gemacht.

Sie, meine Herren Richter, sind dazu berufen, dem geltenden Gesetz des Staates Achtung und Anerkennung zu verschaffen. Ich kam mit diesem Gesetz in Konflikt; jedoch nicht als Schurke, sondern als Offizier dieses Staates und seiner Kultur. Geben Sie mir eine anständige Bestrafung. Ich beantrage für mich die Todesstrafe."

Bielefeld, Durch das dunkelste Abendland, S. 39

 
Bielefeld wird zu der außerordentlich hohen Strafe von vier Jahren Zuchthaus verurteilt. Für die Justiz war er auf Grund seiner geistigen Reife und Bildungshöhe ein besonders gefährlicher Überzeugungstäter, eine Gefahr für die Jugend.

 
Bild
 

Hans Bielefeld, Die Fortdauer der Diskriminierung der Homosexuellen
nach dem Kriege

 

Nach der Befreiung durch die Amerikaner blieb Hans Bielefeld in Hameln. In seinem Beruf als Lehrer zu arbeiten, war ihm wegen seiner Verurteilung verwehrt. Der Paragraph 175 galt in seiner in der NS-Zeit verschärften Form weiter. Außerdem hatte die lange Haft seine Augen ruiniert. Es gelang ihm jedoch, eine Stelle als Dozent an der Hamelner Volkshochschule zu bekommen.

Bielefeld kämpfte nun offen für die Abschaffung des Paragraphen 175 und schrieb ein Buch über seine Verfolgung und seine Haftzeit "Durch das dunkelste Abendland". Vergeblich versuchte er, für das Buch einen Verlag zu finden, gab es schließlich 1951 auf eigene Kosten im Selbstverlag heraus. Er schickte Exemplare an Staatsanwaltschaften, Gerichte, juristische Fakultäten und Bundestagsabgeordnete und handelt sich deswegen auf Betreiben eines CDU-Bundestagsabgeordneten eine Anzeige der Staatsanwaltschaft Hannover wegen Verbreitung unzüchtiger Schriften ein. Bielefeld erlebte eine polizeiliche Durchsuchung seiner Wohnung und die Beschlagnahmung seines Buches.

Prompt bekam er Probleme mit seiner Tätigkeit an der Volkshochschule Hameln. Ihm wurde nahe gelegt zu verschwinden; schließlich wurde ihm durch den Hamelner Oberstadtdirektor Wilke gekündigt.

Die letzten Jahre lebte er, fast erblindet, in Hameln in zwei Räumen in Hameln in der Kaiserstraße.

 

Quellen

Häftlingsakte im Hauptstaatsarchiv Hannover

Hans Bielefeld, Durch das dunkelste Abendland. Vier Jahre hinter Schloss und Riegel, Wiesbaden 1951

Rainer Hoffschildt, Olivia. Die bisher geheime Geschichte des Tabus Homosexualität und der Verfolgung der Homosexuellen in Hannover, Hannover 1992, S. 117-120; 135f

Ders., Die Verfolgung der Homosexuellen in der NS-Zeit. Zahlen und Schicksale aus Norddeutschland, Berlin 1999, S. 158-162

 
Bild