Das Zuchthaus Hameln in der NS-Zeit

und in der Nachkriegszeit

 

Das Zuchthaus Hameln in der NS-Zeit

Politische Häftlinge im Gefängnis Hameln (bis 31. Oktober 1935)

Die Vernichtung der Hamelner Arbeiterbewegung
und das Hamelner Gefängnis

 

Vom Machtantritt Hitlers am 30. Januar
bis zur Reichstagsbrandverordnung am 27. Februar 1933

Seit dem 30.1.1933 war Hitler Kanzler. Die "Notverordnung zum Schutz des deutschen Volkes" vom 4.2.1933 ermöglichte rigorose Einschränkungen der Presse- und Versammlungsfreiheit. Göring erlaubte Schlägertrupps der SA rücksichtsloses Vorgehen gegen "staatsfeindliche Organisationen".

Unmittelbar nach dem Machtantritt Hitlers kam es in Hameln zu Provokationen und ersten Verfolgungen gegenüber den Arbeiterorganisationen und ihren Mitgliedern.

 

Von der Reichstagsbrandverordnung bis zu den Wahlen zum Reichstag am 5. März 1933

Am 28.2. 1933 erschien die Hamelner Deister- und Weserzeitung mit der großen Schlagzeile: "Kommunisten zünden den Reichstag an. Damit hatten die Nationalsozialisten die Rechtfertigung für den Terror gegen Links. Die sog. Reichstagsbrandverordnung, die unmittelbar nach dem Reichstagsbrand erlassen wurde, schaffte wesentliche Grundrechte ab und bot auch die gesetzliche Grundlage für das Verbot der KPD.

Hamelner KPD war personell recht schwach (die Gestapo hat 108 Kommunisten aus Hameln erfasst) und relativ unerfahren. Sie hatte Vorbereitungen für den Übergang in die Illegalität getroffen, war aber doch von der Brutalität des Vorgehens gegen sie überrascht.

Am 28.2.1933, dem Tag nach dem Reichstagsbrand, gab es in Hameln erste Festnahmen von KPD-Mitgliedern. Karl Hölscher, KPD-Mitglied und Stadtrat, berichtet:

"Den Tag nach dem Reichstagsbrand bin ich als erster hier in Hameln verhaftet worden. Wir wurden ... dann zum Getreidespeicher (erg.: der Wesermühlen) gebracht und dort von der SA zusammengeschlagen. ... Als wir im Rieselspeicher zusammengeschlagen wurden, da haben mehrere von den SA-Männern gerufen: 'Schmeißt die Hunde doch in den Hafen rein!' und erst als die Arbeiter, die dort auf der Mühle gearbeitet haben, an die Fenster klopften und gesagt haben, die sollten uns in Ruhe lassen, da hat man uns der Polizei wieder übergeben und abgeführt ins Gefängnis."

 
In der Folge gab es ständig weitere Festnahmen.

Mit allen Mitteln wollten die Nazis die für März angesetzten Wahlen gewinnen. Ein freier Wahlkampf für die Reichstags- und Kommunalwahlen war unter diesen Bedingungen nicht mehr möglich. Am 2. März – drei Tage vor den Reichstagswahlen - wurde die SPD-eigene Hamelner Tageszeitung, die "Niedersächsische Volksstimme", verboten, um einen freien Wahlkampf zu verhindern.

Die Hamelner SPD war personell stärker (401 Mitglieder) als die KPD und mit wichtigen Einrichtungen in der Stadt präsent. In der Heiliggeiststraße saß die Redaktion der SPD-Zeitung "Niedersächsische Volksstimme". Es gab personelle Verflechtungen führender SPD-Mitglieder mit der AOK, dem Konsum und den Gewerkschaften.
Im Vertrauen auf die eigene Stärke und die Verfassung hatte die SPD keine Vorbereitungen zum Untertauchen getroffen.

 
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Von den Reichstagswahlen bis zur Feier des 1. Mai

Unmittelbar nach den Reichstagswahlen am 5. März zerstörten die Nationalsozialisten die Infrastruktur der SPD völlig. Durchsuchungen durch SA und Hilfspolizei fanden in allen wichtigen Einrichtungen der Partei statt, Sozialdemokraten wurden verhaftet und misshandelt. Die Druckerei der SPD-Zeitung "Niedersächsische Volksstimme" in der Heiliggeiststraße wurde am 12.3.1933 durchsucht und deren Druckmaschinen versiegelt.

Am 24.3. saßen im Hamelner Gefängnis insgesamt 85 Kommunisten und Sozialdemokraten aus Hameln und Umgebung ein.

Albert Sohr, KPD-Mitglied, erinnert sich:

"Die politischen Gefangenen waren alle im Keller (erg.: des Hamelner Gefängnisses) untergebracht. Der Keller war so voll, dass sie die Zellen am Tage offen machen mussten, damit die sich überhaupt etwas bewegen konnten auf dem Flur.

Die Gelegenheit des engen Zusammenseins im Keller ist dazu genutzt worden, um gemeinsam zu überlegen: Was ist in der Vergangenheit falsch gemacht worden, was müssen wir in Zukunft tun, um so etwas zu verhindern? Und da kam uns schon der Gedanke, dass die Kommunisten und Sozialdemokraten beide einen falschen Weg gegangen sind, indem sie sich gegenseitig bekämpft haben und nicht den großen Gegner, den Nazismus, erkannt hatten. Und dass das in Zukunft nicht mehr sein dürfte."

 
Am 7.4. meldete der Landrat 57 Männer in "Schutzhaft" im Hamelner Gefängnis, die Mehrzahl davon Kommunisten. Das Gefängnis sei überfüllt. Der Landrat fragte dringend an, "ob damit zu rechnen ist, dass sie (=die Gefangenen) in allernächster Zeit in ein Konzentrationslager abgeschoben werden." Von den Hamelner Linken waren schon damals mehrere in das KZ Moringen eingeliefert worden.

 
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Vom 1. Mai bis zum Verbot der SPD am 22. Juni 1933

Der 1. Mai, der Kampftag der Arbeiterbewegung, war bisher in Deutschland kein Feiertag gewesen. Von den Nationalsozialisten wurde er in einer gigantischen Propagandaaktion zum "Tag der deutschen Arbeit" erklärt. Der Tag wurde in Hameln mit Kundgebungen und Umzügen wie ein Volksfest gefeiert.

Sogleich nach dem 1. Mai gab es eine neue, massive Welle von Verhaftungen. Am 2. Mai wurden die Gewerkschaften im ganzen Reich verboten. Das Hamelner Gewerkschaftshaus war bereits vor dem 2. Mai mehrmals durchsucht worden. Nun wurde es geschlossen.

Gebäude und Druckmaschinen der Niedersächsischen Volksstimme in der Heiliggeiststraße wurden beschlagnahmt ebenso wie das Vermögen der SPD.

Anschließend wurden die zahlreichen Hamelner Arbeiterkultur- und –sportvereine zerschlagen. Sie wurden vor die Wahl gestellt, sich entweder aufzulösen oder sich gleichschalten zu lassen.

Am 22.6.1933 erfolgte das Verbot der SPD im gesamten Reich. Vier Tage später wurden 22 Hamelner Sozialdemokraten verhaftet. Die Verhafteten wurden - teilweise in Ketten - vom Rathaus durch die Bäckerstraße zum Gefängnis geführt, ein Spießrutenlauf durch eine feindlich gesinnte Menge. Anschließend wurden weitere 200-300 SPD-Leute aus dem Landkreis Hameln-Pyrmont verhaftet, im Hamelner Gefängnis eingeliefert und längere Zeit festgehalten.

 

Quellen

Hauptstaatsarchiv Hannover

Hubert Brieden, "Die Polizei griff ein ...". Die vergessene Geschichte der Hamelner Arbeiterbewegung, Hannover 1994

Wegweiser für eine Stadtbegehung zu Stätten des faschistischen Terrors und des antifaschistischen Widerstands in Hameln, hrsg. von der Antifa Hameln, o.O., o.J.

 
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