Das Zuchthaus Hameln in der NS-Zeit

und in der Nachkriegszeit

 

Das Zuchthaus Hameln in der NS-Zeit

Die Ausgrenzung der Juden

Wilhelm Trammer - Lebenslauf

 

 

  1880   Geboren am 24.2.1880 in Breslau

  1917/18   Soldat im 1. Weltkrieg im österreichisch-ungarischen Heer
Als Folge des Krieges Invalide

Von Beruf Verkäufer, zuletzt in einem Kaufhaus in Celle

  1920   Trennung von der Familie. Die Ehefrau wandert mit den Kindern nach Palästina aus.
  Seit 1930   Arbeitslos und unvermögend

  1932   Umzug nach Hannover
Beziehung zu einer nichtjüdischen Frau

  1935   Im August Verwarnung durch die Gestapo wegen dieser Beziehung

  1938   Verhaftung im Juli
Am 7.11.1938 Verurteilung durch das Landgericht Hannover zu drei Jahren Zuchthausstrafe wegen "Rassenschande" (Verstoß gegen das "Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre" vom 15.9.1935)

Aus der Urteilsbegründung:

Der Angeklagte hat "bewusst die Nürnberger Gesetze” verletzt.

"Jeder Jude muss sich nunmehr darüber klar geworden sein, dass er lediglich als Gast in Deutschland geduldet wird und sich dem Gesetz des Gastlandes unbedingt zu unterwerfen hat. Wenn er es trotzdem wagt, sich an einer deutschen Frau zu vergreifen und damit die Ehre des deutschen Volkes in seiner Gesamtheit anzutasten, so muss er auf das schärfste bestraft werden. Drei Jahre Zuchthaus sind die angemessene Sühne für die Tat des Angeklagten."

  1939   Am 14.1.1939 Einlieferung in das Zuchthaus Hameln

  1941   Nach Ende der Strafhaft Einlieferung in das KZ Sachsenhausen

Am 25.11.1941 Tod von Wilhelm Trammer im KZ Sachsenhausen

 
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Die Haftzeit im Zuchthaus Hameln vom 29.11.1938 – 1941
Auszüge aus der Häftlingsakte

Wilhelm Trammer wird unter der Gefangenen-Nr. Nr. 279/39 registriert.

Er muss bei seiner Einlieferung am 14.1.1939 als "Volljude" den zusätzlichen Vornamen Israel annehmen. Seine Anzeige an den zuständigen Standesbeamten unterschreibt er mit "Israel Wilhelm Trammer".

 
Folgende Tagesbeobachtungen werden durch den Oberwachtmeisters verzeichnet:

8.2.1939 Klebt Tüten. Ein älterer Mann, dem die Arbeit noch nicht so recht von der Hand geht, muss sich erst noch einarbeiten.
Infolge seines Alters, 59 Jahre, wird er kaum volles Pensum schaffen, zeigt sich wohl willig, ist aber ziemlich ungeschickt.
Führung bisher ordnungsgemäß.

16.3.1939 Ein älterer unbeholfener Mann, weder moor- noch kommandofähig.

21.12.1939 Wird in Betrieb IV als Pantoffelmacher bei der Firma Pigge und Marquardt beschäftigt. Er gibt brauchbare Arbeit ab.

12. 5. 41 Wird in Betrieb I beim Bindfadenentknoten beschäftigt.

 
Wilhelm Trammer war völlig mittellos. Er bekam deswegen von der Fürsorgeabteilung der Synagogengemeinde Hannover auf seinen Antrag hin Geld für Zahnersatz (15.10.1940).

Aus der "Briefantragskarte" wird auch deutlich, dass Wilhelm Trammer keine Angehörigen hat, die ihm schreiben.

 
Trammer bemühte sich aus dem Zuchthaus Hameln heraus intensiv um seine Auswanderung aus Deutschland. Dies wird aus den Eintragungen deutlich, die seine "Briefantragskarte" verzeichnet.

19.7.1940 An die Synagogengemeinde Hannover wegen Auswanderung

4.8.1940 An den Jüdischen Hilfsverein Berlin wegen Auswanderung

16.8.1940 An den Jüdischen Hilfsverein Berlin wegen Auswanderung

10.1.1941 An den Jüdischen Hilfsverein Berlin wegen Auswanderung

 
In einem Schreiben vom 26.3.1941 teilte der Oberbürgermeister von Hameln als Kreispolizeibehörde Wilhelm Trammer seine bevorstehende Ausweisung aus dem deutschen Reiche mit:

"Auf Grund des §5 Ziffer 1b der Ausländerpolizeiverordnung des Reichsministers des Innern ... wird Ihnen der Aufenthalt im Gebiete des deutschen Reiches verboten. Sie werden nach Ablauf der Strafe über die Grenze abgeschoben."

 
Trammer war klar, dass damit die Deportation in das "Generalgouvernement" gemeint ist. Daraufhin intensivierte er seine Bemühungen um Auswanderung.

4.4.1941 Bitte um einen "Sonderbrief". Trammer will Einspruch gegen den Ausweisungsbescheid einlegen.

18.4.1941 Schreiben Trammers an den Jüdischen Hilfsverein in Hannover, Bergstr. 8, wegen des Ausweisungsbescheides.

4.5.1941 Der Häftlingsakte liegt ein von der Zuchthausverwaltung einbehaltener Brief Trammers an einen Freund bei:

Nach diesem Schreiben hat Trammer gegen seine Ausweisung Einspruch eingelegt und den Hilfsverein in Hannover um Hilfe gebeten, "... denn ich weiß, dass es augenblicklich durch den Krieg wohl kaum möglich ist, eine Auswanderung vorzunehmen."

Aus dem Brief wird deutlich, dass Trammer religiös ist.

 
Die Mitteilung des Zuchthauses Hameln an die Gestapo wegen der bevorstehenden Entlassung Trammers vom 6.6.1941 ist außerordentlich negativ formuliert:

"Trammer hat sich während seiner Strafzeit hausordnungsgemäß geführt und zufriedenstellend gearbeitet.
Innerlich hat ihn die Strafe nicht berührt. Er hat als Jude für deutsches Volksempfinden kein Verständnis. Vor einem Rückfall bewahrt ihn die Ausweisung."

 
Der Einspruch Trammers gegen seine Ausweisung bleibt ohne Wirkung. Der Oberbürgermeister Hameln als Kreispolizeibehörde teilt Wilhelm Trammer in einem Schreiben vom 9.7.1941 mit:

"Durch rechtskräftige Verfügung vom 26. 3. ds. Jrs. habe ich gegen Sie ein Aufenthaltsverbot für das Gebiet des Deutschen Reiches erlassen. Zur Sicherung dieser Maßnahme wird die Abschiebungshaft gegen Sie angeordnet. Sie werden daher auf unbestimmte Zeit in einem Konzentrationslager untergebracht."

Quelle

Häftlingsakte im Hauptstaatsarchiv Hannover

 
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