Das Zuchthaus Hameln in der NS-Zeit

und in der Nachkriegszeit

 

Das Zuchthaus Hameln in der Nachkriegszeit

Der Umgang mit den Gräbern der Hingerichteten in Hameln

 

  Die Jahre 1949 bis 1975
  Die Jahre 1975 bis 1985
  Die Jahre 1985 bis 1986
  Die Jahre 1985 bis heute

 

Die Jahre 1949 bis 1975

 

Nun ist der Rahmen geschaffen, um über die Ereignisse in Hameln berichten zu können. Wie sieht der Umgang der Stadt Hameln und ihrer Bürger mit den Gräbern der Hingerichteten aus? Welche Bewältigungsstrategie hat die Stadt gegenüber dieser von ihr nicht zu verantwortenden Hypothek?

Die öffentliche Legendenbildung um die Gräber der Hingerichteten setzte mit einem Artikel der Bildzeitung vom 26.11.1953 ein:

"Deutsches Massengrab im Zuchthaus HM. Düsteres Erbe der Besatzungszeit. ...
Als Justizbeamte auf dem durch hohe Mauern abgetrennten Hof nachgruben, fanden sie in anderthalb Meter Tiefe viele dicht neben- und übereinander liegende menschliche Skelette. ...
Der ‚Hof des Grauens’ diente früher den mit Guillotine und Beil arbeitenden Scharfrichtern."

1954 veröffentlichte Hans Grimm, der Autor des NS-Kultbuches "Volk ohne Raum", ein neues Buch unter dem Titel: Warum-Woher-Aber Wohin? (Klosterhaus-Verlag Lippoldsberg, 4. Aufl. 1954).

Darin heißt es:

"Unter den Hingerichteten befanden sich Ärzte, Soldaten, Frauen, die angeblich als weibliches KZ-Personal tätig waren, Industrielle usw. ...
Ein Überlebender der Hamelner Verurteilten, der im letzten Augenblick begnadigt wurde und heute in Freiheit ist, berichtet, dass bei vorsichtigster Schätzung 60% aller Todesurteile zu Unrecht erfolgt seien." ...

 
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Am 5./6. September 1959 gab es in Hameln eine Großveranstaltung ehemaliger Angehöriger der Waffen-SS, der HIAG. Die HIAG veranstaltete in Hameln ein "Suchdiensttreffen", zu dem 15.000 Teilnehmer kamen.

Ort der Veranstaltung war ein neben dem Schützenhaus aufgebautes Festzelt. Am Kopfende des Zeltes prangte ein überdimensionales "Eisernes Kreuz".

 
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Der ehemalige Kommandeur der SS-Leibstandarte "Adolf Hitler", Sepp Dietrich, wurde mit minutenlangem Beifall empfangen.
Abschließend sangen die Teilnehmer die erste Strophe des Deutschlandliedes..

Für das Suchdiensttreffen hatte die Stadtverwaltung die Räumlichkeiten der Hauswirtschaftlichen Berufsschule am Münster (heute Elisabeth-Selbert-Schule) zur Verfügung gestellt. Um die Beteiligung des DRK bei dem "Suchdiensttreffen" hatte es im Vorfeld Auseinandersetzungen gegeben.

In der Anfrage des Landesverbandes Niedersachsen-Süd der HIAG vom 26.5.1959 gab dessen Vorsitzender Wojatzek an, "das beabsichtigte Bundessuchdienst-Treffen in engster Zusammenarbeit mit dem Deutschen Roten Kreuz" durchführen zu wollen. Wie sich aus der anschließenden Korrespondenz des Oberbürgermeisters mit dem DRK-Landesverband und dem Generalsekretariat ergibt, hatte es bis dahin lediglich ein Gespräch mit dem DRK-Kreisverband Hameln-Pyrmont gegeben.

Der Landesverband hatte am 18.6.1959 klar gestellt, dass der DRK-Suchdienst die bis dahin praktizierte Zusammenarbeit mit der HIAG im Dezember 1958 gekündigt hätte, da sich die HIAG künftig im "Bundesverband der Soldaten der ehemaligen Waffen-SS" organisieren wolle und die "HIAG" daher keine "Bundestreffen" mehr veranstalten würde. Im Übrigen würde das DRK keinen Suchdienst-Einsatz mehr vornehmen bei Treffen, die den Divisions-Rahmen übersteigen. Ein "Bundestreffen wird vom DRK-Suchdienst nicht besetzt" werden!

Im Widerspruch zu dieser Stellungnahme des DRK-Landesverbands erklärte der DRK-Suchdienst München mit Schreiben vom 19.6.1959, dass er die Teilnahme an dem geplanten Bundestreffen unter der Voraussetzung zugesagt hätte, dass es sich "um ein einmaliges, nicht wiederholtes Gesamttreffen handelt und dass die Teilnehmer sich nach früheren Divisionen getrennt versammeln". "GM a.D. Meyer" (=Panzer-Meyer) habe diese Bedingung ausdrücklich akzeptiert.

Am 24. und 25.7.1959 fanden Besprechungen zum einen mit "GM a.D. Meyer" und Vertretern des DRK-Landesverbands, zum anderen mit dem Leiter der Landesnachforschungsstelle des DRK, Stutz, und einem Vertreter der Suchdienst-Leitstelle Bonn statt. Man einigte sich auf die Durchführung des Bundestreffens in der beabsichtigten Form, die Stadt sagte zu, geeignete Räumlichkeiten für den Suchdienst-Einsatz zur Verfügung zu stellen.

In einem Vermerk der Stadtverwaltung ist über den Besuch eines "Vertreters" der Frankfurter Allgemeinen Zeitung festgehalten, dass die Frage nach einer Distanzierung des Deutschen Roten Kreuzes von der geplanten Veranstaltung der HIAG nicht bestätigt werden konnte.

Mit Schreiben vom 10.9.1959 des Vorsitzenden des DRK Kreisvereins Hameln-Stadt, Busching, wurde der Erfolg der Aktion bestätigt: "Der Suchdiensteinsatz für I., II. und III. SS Panzerkorps am 5. und 6.9.59 hat bei rund 6000 Befragungen 476 Heimkehrer-Erklärungen gebracht." Abschließend folgte der Dank an die Stadt für die Überlassung der Aula der Frauenfachschule.

Es hat also keine Distanzierung seitens des DRK von der HIAG-Veranstaltung gegeben, obwohl es nach der Vertragslage nur noch eine Zusammenarbeit mit dem "Bundesverband der Soldaten der ehemaligen Waffen-SS" und dann auch nur noch in Divisionsstärke hätte geben dürfen. Die Nichteinhaltung der Organisationszusage ist widerspruchslos hingenommen worden.

Der niedersächsische Ministerpräsident Hinrich Kopf (SPD) und der OB der Stadt Hameln, Helmuth Greulich (SPD), sandten die besten Grüße und Wünsche.

 
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Im Wiking-Ruf lesen wir:

"Der Sonntagvormittag fand alle Kameraden vereint am Grabe unseres Bernhard Siebken, des ersten Grenadier’s seines Bataillons bei den Kämpfen an der Invasionsfront, der 1949 in Hameln von den Engländern erhängt wurde. Dies war der wahre Ausklang unseres Treffens, Zeichen und Mahnung zur gleichen Zeit."

 
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Ein für 1963 – wieder für Hameln – geplantes HIAG-Treffen wurde wegen öffentlichen Drucks kurzfristig abgesagt. Kritik an derartigen Organisationen kam damals allein vom DGB und von der VVN, nicht etwa von der SPD oder anderen Parteien.

 
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