Das Zuchthaus Hameln in der NS-Zeit

und in der Nachkriegszeit

 

Das Zuchthaus Hameln in der Nachkriegszeit

Das Zuchthaus als Hinrichtungsort der Briten

 

Der Umgang der Deutschen
mit den Kriegsverbrechen der NS-Zeit
und den Urteilen der Alliierten

 

Anfangs war bei Teilen der Bevölkerung ein Interesse an den Kriegsverbrecherprozessen spürbar gewesen. Aber bald machte dieses Interesse einer kollektiven Schuldabwehr Platz. Allgemein war der Wunsch nach Normalisierung. Nötig zum demokratischen Aufbau seien nun Rehabilitierung, Amnestie und Integration der Täter.

Die öffentliche Meinung quer durch alle Parteien sah in den Urteilen der alliierten Gerichte Machtdemonstrationen der Sieger im Gewand der Rechtsprechung und tat die Kriegs- und Menschlichkeitsverbrechen als Gräuelpropaganda ab.

Die allgemeine Stimmung der Schuldabwehr kam den Tätern entgegen. Die von den Alliierten zu Haftstrafen verurteilen Kriegsverbrecher wurden in den 1950er Jahren in der Regel vorzeitig aus der Haft entlassen.

Das politische Klima in der frühen Bundesrepublik war von einer weitgehenden Schuldabwehr bestimmt. Man hatte nichts gewusst, geschweige denn etwas getan. Die Entnazifizierung war, nachdem die Westalliierten die Verfahren in deutsche Hände übergeben hatten, zu einer Farce geworden.

Im totalitären Staat der NS-Zeit hatte es – so war es verbreitete Meinung – nur wenige Verantwortliche gegeben; alle übrigen waren Mitläufer oder Menschen gewesen, die unter Zwang veranlasst wurden, Dinge zu tun, die ihnen ganz wesensfremd gewesen sind.

Die Justizbehörden waren um eine juristische Verfolgung der Verbrechen der NS-Zeit alles andere als bemüht. Mit Hilfe der Gerichte wurden Täter in Gehilfen verwandelt. Auch bei leitender Kommandogewalt (Der Einsatzgruppenführer Otto Bradfisch war für 15.000 Morde in der Ukraine verantwortlich) unterstellten die Gerichte, dass die Befehlenden lediglich Gehilfen in einem ihnen fremden, von den politischen Spitzen als alleinigen Tätern bestimmten Geschehen waren.

Einerseits wurde verharmlost, um Identifikation zu ermöglichen, andererseits wurde skandalisiert, um Abgrenzung zu ermöglichen. So stand auf der einen Seite der verbrecherische Wahnsinn Hitlers und seiner engsten Mitarbeiter, auf der anderen das unwissende deutsche Volk, das gleichgeschaltet und verführt worden sei.

Der Schuldabwehr diente auch das immer wieder gezeichnete Bild der weiblichen Bestie, so als handele es sich um Verirrungen der Natur. Die Distanz zum Normalmenschen sollte so sensationell wie möglich sein: Ilse Koch, die Hexe von Buchenwald, Irma Grese, die SS-Megäre.

In den 1950er Jahren hatten die Deutschen ihren Frieden mit den Tätern gemacht. Sie akzeptierten nicht den Vorwurf des Kriegsverbrechens. Ralf Giordano sprach rückblickend für diese Zeit als von der "zweiten Schuld".

Die Selbstentlastung funktionierte perfekt: Die Deutschen waren zuerst Opfer Hitlers, dann der Alliierten geworden.

Wichtig für eine Wende im öffentlichen Bewusstsein war der Frankfurter Auschwitz-Prozess von 1963-1965. Kein deutsches Gericht hatte sich für dieses in Polen liegende KZ zuständig gefühlt. Dieser Prozess, den der Frankfurter Generalstaatsanwalt Fritz Bauer angestrengt hatte, hob das verbrecherische Bild des NS-Regimes in das allgemeine Bewusstsein. Dadurch kam überhaupt erst ins Bewusstsein, dass es gezielt Massentötungen gegeben hatte. Bis dahin war, wenn von den NS-Verbrechen die Rede gewesen war, immer nur von den vergleichsweise harmlosen KZs Dachau und Buchenwald gesprochen worden.

 
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