Zwangsarbeit in Hameln und im Kreis Hameln-Pyrmont

 

Aus Briefen ehemaliger Zwangsarbeiter

 

Kap. 4

"Wie Vieh steckte man uns in einen Güterzug." –

Die Verschleppung nach Hameln

 

Aus allen besetzten und befreundeten Staaten wurden damals Arbeitskräfte nach Deutschland geholt. Die deutsche Arbeitsverwaltung wurde dabei aktiv. Anfangs versuchte sie, Menschen auf freiwilliger Basis zu werben.

"Zu solcher Ordnung werden die Ostarbeiterinnen in Deutschland erzogen" – ist dieses Bild aus einer Propagandabroschüre unterschrieben.

In Polen, der Ukraine und Russland, später auch in Frankreich, Holland und Belgien, schlug die Werbung jedoch rasch in Gewalt um. Im Osten kam es zu offen brutalen Menschenjagden.

 
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In Güterzügen wurden die Menschen nach Deutschland gebracht.

In Hameln angekommen, wurden sie durch das Arbeitsamt registriert und anschließend fotografiert.

 
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In diesem Zusammenhang sind die meisten Fotos entstanden, die hier zu sehen sind.

Vom Arbeitsamt erhielten die Menschen einen mit Fingerabdruck versehenen Arbeitsausweis. Weil Polen als Staat nicht mehr existierte, werden die Polen als staatenlos registriert.

Anschließend wurden sie in großen Gruppen in die Lager der Firmen geführt oder auf der Arbeitsbörse den Bauern aus den Dörfern zur Auswahl feil geboten. Die Situation auf der Arbeitsbörse haben die Menschen als ganz traumatisch erlebt.

 
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Frau Ljudmila I., geb. im Jahre 1926 im Dorf Michailjutschka, Ukraine

Eines frühen Morgens Ende April 1942 kam ein Polizist zu uns und sagte, dass wir uns schnell zur Abreise nach Deutschland fertig machen sollten. Ich fing zu weinen an, aber er packte mich und stieß mich mit Gewalt auf die Straße hinaus. Dort warteten schon einige Leute. Man setzte uns in ein Fahrzeug und brachte uns unter Bewachung in das Bezirkszentrum Schepetowka.

Dort verfrachtete man uns in Güterwaggons, deren Fenster sogar mit Stacheldraht verschlossen waren. Die Waggons waren vollkommen überfüllt. Nicht alle fanden einen Sitzplatz. Um uns auszuruhen, setzten wir uns abwechselnd hin.

Ich war damals 15 Jahre alt.

 
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Frau Halina C., geb. am 15. Dezember 1921 in Glowczynie bei Plock, Polen

Nach dem Warschauer Aufstand ist meine ganze Familie, meine Eltern und meine beiden Schwestern, von der Straße aufgegriffen und durch die Deutschen in das Sammellager nach Pruszkow gebracht worden. Dort hat man uns am nächsten Tag sortiert nach alt und jung. Wir wurden von unseren Eltern getrennt.

Die jungen Leute wurden in geschlossenen Waggons nach Deutschland gebracht. Wir kamen nach längerer Fahrt in Hannover an.

Ab Hannover hatten wir einen Aufseher. Meine Schwester sprach etwas deutsch. Der Aufseher hat uns geraten, möglichst aufs Land zu gehen zu einem Landwirt. Wir kamen dann von Hannover nach Hameln. Das war etwa um den 15. Oktober 1944. Damals war ich 23 Jahre alt.

 
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Frau Irena M., geb. am 2. August 1922 im Dorf Police Srednich, Wojewodschaft Posen, Polen

Im Juli 1940 war eine Razzia, deren Opfer ich wurde. Während der Razzia war ich zusammen mit meiner Freundin Wanda zu Hause. Mit uns waren auch unsere Bekannten und mein behinderter Cousin. Unsere Bekannten haben es geschafft, durch das Fenster zu flüchten.

Meine Freundin und ich wurden durch die deutschen Soldaten in ein Lager gebracht. Dort waren wir drei Tage und haben auf dem Boden, auf Stroh geschlafen. Zum Essen haben wir nur Wasser und Brot bekommen. Die deutschen Soldaten haben uns bewacht und ihr Benehmen war einfach grausam. Ich vermute, dass das SS-Soldaten waren. Man hörte überall weinende Gefangene und das Geschrei der Soldaten. Die Umstände waren fatal und erniedrigend. Die Frauen und die Männer waren in einem Raum zusammen.

Nach einigen Tagen wurden wir nach Konin transportiert und dort hat man uns in Waggons getrieben und nach Hameln gebracht. Ich war damals 17 Jahre alt.

 
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Frau Katerina M., geb. am 13. Februar 1925 im Dorf Babicki, Lemberger Gebiet, Ukraine

1942 wurde ich als Zwangsarbeiterin nach Deutschland geschickt. Ich war damals 17 Jahre alt, hatte nur die Grundschule beendet und keinen Beruf.

Außer mir wurden noch einige Leute geschickt. Der Vorsitzende des Dorfrates selbst musste die jungen Leute auswählen, die nach Deutschland geschickt wurden. Mit einem Karren brachte man uns zur Polizei. Alle weinten.

Viele waren so arm, dass die Mütter uns kein Essen mit geben konnten. Die Nachbarn brachten uns Brot für die Fahrt.

Ich war sehr aufgeregt und dachte, dass ich nie zurück kehren werde. Man brachte uns in das Bezirkszentrum. Von dort fuhren wir in Güterwaggons nach Deutschland.

 
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Frau Dorothea T. aus der Ukraine

In der Stadt Charkow bin ich am 27. November 1923 geboren und habe dort meine Kindheit und Jugendzeit verlebt. Hier konnte ich in der Schule etwas Deutsch lernen und anfangen, Medizin zu studieren.

Ende April 1942 war ich auf dem Markt in Charkow, um für meine Großmutter Gebrauchsgegenstände gegen Lebensmittel zu tauschen. Da kamen plötzlich von verschiedenen Seiten deutsche Soldaten auf den Marktplatz gestürmt. In einer Blitzaktion ergriffen sie mich und andere Mädchen und Frauen, luden uns alle auf einen Lastkraftwagen und fuhren uns zum Bahnhof.

Hier wurden wir registriert mit der Bemerkung:

"Zur Arbeit nach Deutschland".

Nach zwei Tagen begann der Transport in Güterwagen, in denen nur etwas Stroh auf dem Boden lag. Ein Eimer für menschliche Bedürfnisse stand in einer Ecke. Es war nicht möglich gewesen, von unseren Angehörigen Abschied zu nehmen.

Auf der langen Fahrt hielt der Zug hin und wieder an, wir wurden untersucht, und einige Frauen erhielten notdürftige Kleidung. Wir konnten ja nichts einpacken. Am 25. oder 26. Mai 1942 kamen wir in Pyrmont an, 26 Mädchen und Frauen aus Charkow. Zuerst brachte man uns im Rathaus unter, wo wir wieder registriert wurden.

 
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