Die Reichserntedankfeste auf dem Bückeberg

 

Der Festtag

Das Hauptprogramm

 

Und Hitler?
"Der Weg durch das Volk" - das zentrale Ritual des Festes
Überreichung der Erntekrone an Hitler und Wehrmachtsübungen
Exkurs: Christlicher Erntedank und das Reichserntedankfest
"Die Schlacht der Zukunft"
Erntedank und Panzer? - Zum Nebeneinander von Naturidylle und Militärübung
Hitler spricht
Der Abschluss der Feste

 

Und Hitler?

Hitlers Aufmerksamkeit war an diesem Tage ganz dem Thema Bauern gewidmet. Sein Programm hatte am Erntedanktag stets zwei Bestandteile: das Reichserntedankfest auf dem Bückeberg und den Empfang der Delegierten des Reichsnährstandes in Berlin bzw. Goslar.

Während der Bückeberg das Spektakel für die Massen darstellte, war der Empfang dem kleinen Kreis der Bauernfunktionäre vorbehalten.

Im Jahr 1933 fand der Empfang vormittags in der Reichskanzlei in Berlin statt. Hitler flog dann nach Hannover, und es folgte die triumphale Fahrt im offenen Auto zum Bückeberg.

Seit 1934 fand der Empfang des "Reichsnährstandes" in der Kaiserpfalz in Goslar, der neuen Hauptstadt des "Reichsnährstandes", statt.

1935 wurde das Erntedankfest in die Mittagsstunden vorverlegt. Seitdem bildete der abendliche Empfang in Goslar den Abschluss des Erntedanktages.

 
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"Der Weg durch das Volk" - das zentrale Ritual des Festes

Begleitet vom Badenweiler Marsch - unter unbeschreiblichem Jubel der Menschen und einer tosenden Welle von Heilrufen - steigt Hitler den Führerweg hinauf. Die Menschen, die zwei bis fünf Stunden auf den Führer gewartet hatten, befinden sich in einem Rauschzustand.

Die Masseninszenierung erlaubt ein lustvolles Aufgeben der Selbstkontrolle, einen alle Sinne umfassenden Rausch. Sie befriedigt Hingabewünsche und lmachtsphantasien.

Das Programm sah vor, dass der Führer nicht allein, sondern mit seinem Gefolge den Berg hinaufsteigt. Während die monumentalen Feiern von Nürnberg die heroische Einsamkeit des Führers auf die Spitze treiben, tritt am Bückeberg der "Volkskanzler" auf. Hitler lässt sich anfassen und geht auf die jubelnden Menschen zu. Immer wieder durchbrechen Kinder die Absperrung, überreichen Blumen.

Der Aufstieg Hitlers, sein Weg durchs Volk, sollte nach der Regie 15 Minuten dauern. Er dauerte 45 Minuten - für 600 Meter!

"Symbolhaft ist es, wenn der Führer vom Fuße des Berges aus den Volksmassen empor zur Bergeshöhe steige. Denn aus dem Volk ist er auch zur Spitze der Nation emporgestiegen.
Gleich wie er aber von der Höhe des Bückeberges wieder zurückschreiten und im Volke untertauchen werde, so suche und finde er auch als Führer und Reichskanzler immer wieder die Verbindung mit seinem Volk." (Gutterer 1937).

Hitler 1935 auf dem Bückeberg:

"Wo ist der Staatsmann, wo ist das Staatsoberhaupt, das so durch sein Volk gehen kann,
wie ich durch euch hindurchgehe?"

Gleich einem Messias steigt Hitler zur "Höhe empor", gleich einem Priester schreitet er zum Altar. Religiöse Begriffe werden genutzt, um die politische Machtdemonstration als "weihevoll" zu sakralisieren.

 
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Überreichung der Erntekrone an Hitler und Wehrmachtsübungen

Jetzt beginnt das eigentliche Festprogramm. Hitler wird die Erntekrone von einer Bäuerin mit den Worten überreicht:

"Mein Führer! Sie schützen mit starker Hand
unser Land, unser Volk, unseren Stand!
Als unseres Dankes bescheidenes Zeichen
wir Ihnen die Erntekrone reichen."

Es ist übrigens die einzige Stelle im Programm, an der eine Frau eine aktive Rolle spielt.

Auf die kurze Szene der Überreichung der Erntekrone, die nicht über Lautsprecher übertragen wird, den Festteilnehmern also verborgen bleibt, folgen im Programm ohne Übergang ausführliche Militärübungen.

 
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Exkurs: Christlicher Erntedank und das Reichserntedankfest

Goebbels hat den Erntedank auf dem Bückeberg seiner christlichen Wurzel beraubt. Das Fest war eine radikale Absage an die christlich-religiöse Festtradition. Der Erntedank sollte auf seine germanischen Grundlagen zurückgeführt werden.

Durch Absprachen zwischen der Organisationsleitung und den Kirchen wurden christliche Gottesdienste als mögliche Konkurrenz ausgeschlossen. 1934 gab es zwischen 7 und 8 Uhr einen großen Feldgottesdienst auf den Hindenburg-Kampfbahn in Hameln und in der Nähe der Bahnhöfe "kurze gottesdienstliche Morgenfeiern". Auf dem Bückeberg selbst hatte die Kirche nichts zu suchen.

Anders als die katholische Kirche hat die evangelische Kirche weitgehend tatenlos zugesehen, wie der Erntedank von den Nationalsozialisten seines christlichen Inhalts entkleidet wurde. Im Aufruf des Landeskirchenamtes Hannover zum Erntedankfest 1933 heißt es sogar:

"Diese Feier des Dankes gegen den Schöpfer gibt der Kirche Gelegenheit zum Hinweis auf den Gehorsam gegen die göttliche Schöpfungsordnung, wie er uns besonders durch die Gedankenwelt des Nationalsozialismus in neuer Klarheit nahegebracht ist."

Der Hamelner Pastor Knop schreibt in der DEWEZET vom 1. 10. 1933 einen Beitrag unter dem Titel: "Erntekrone und Christuskreuz". Er feiert die "Schicksalswende" und den "Aufbruch unseres Volkes unter der Führung eines uns von Gott geschenkten Mannes. Neben Blut und Rasse sind der heimatliche Boden und die Arbeit des Menschen auf ihm die gott- und naturgegebenen Grundlagen eines Volkes."

Kaum einem Festteilnehmer ist der Widerspruch zwischen seinem christlichen Glauben und dem nationalsozialistischen Natur- und Führerkult bewusst geworden.

 
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"Die Schlacht der Zukunft"

Im März 1935 hatte Hitler die letzten Bestimmungen des Versailler Vertrages gebrochen, die allgemeine Wehrpflicht eingeführt und die Luftwaffe gegründet. Nun finden am Bückeberg richtige Manöver statt.

1935 haben Pioniere des Heeres am Fuße des Berges ein kleines niedersächsisches Dorf aufgebaut mit Häusern, Kirche, Scheunen und einem Friedhof.
Das "Bückedorf" wird dann Ziel einer umfangreichen und ausgedehnten Gefechtsübung. Die beiden Parteien Blau und Rot setzen auch Tanks ein. Die neue Luftwaffe greift mit Luftlandetruppen in die Kämpfe ein.

1936 - die Wehrpflicht ist nun auf zwei Jahre verlängert worden - steht in der Ebene das "Meckererdorf".

1937 gibt es ein realistisch inszeniertes Gefecht mit über 10.000 Mann und dem Einsatz von Tanks und Bombenflugzeugen. Eine Weserbrücke wird von den Fliegern vernichtet; das "Bückedorf" geht im Feuer der Artillerie in Flammen auf. Die Schauübungen der Wehrmacht dauern in diesem Jahr eine volle Stunde.

 
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Erntedank und Panzer? - Zum Nebeneinander von Naturidylle und Militärübung

Viele Elemente des Reichserntedankfestes zeigen militärische Züge: nicht nur die Militärübung, die immer mehr Zeit beansprucht, sondern auch die als technische Großleistung gefeierte Anreise und der exakt geplante Aufmarsch der Teilnehmer. Auch in Hitlers Rede stehen außenpolitische und militärische Themen im Vordergrund.
Die militärische Inszenierung des Festes ist Teil der gewaltigen Erziehungsarbeit, die Hitler auf seiner ersten Erntedankfestrede 1933 seinem Volk angekündigt hatte. Sie soll Disziplin, Einsatzbereitschaft und Kriegsbereitschaft wecken.

Unser gängiges Bild des Nationalsozialismus betont die Blut- und Boden-Romantik, den Rückfall in die Anti-Moderne. Das ist aber falsch.

"Dies eben war das Charakteristische und Bedrohliche, die Mischung von robuster Zeitgemäßheit, leistungsfähiger Fortgeschrittenheit und Vergangenheitstraum, der hochtechnisierte Romantizismus" (Thomas Mann).

"Der idealtypische Deutsche führte zwischen 1933 und 1945 ein Doppelleben, er ist eine gespaltene Persönlichkeit; eben die Menschen, die als biedere Bürger in ihrer unpolitischen Normalexistenz ruhen, sind zugleich diejenigen, die sich uniformieren und marschieren, am Willen zur Macht berauscht und ihm hörig, Untertanen, die zur Macht aufrücken, und Machtmenschen als Untertanen. Dass das Regime beides bedient, das Bürgerbedürfnis nach Ruhe, Ordnung und Sicherheit ebenso wie das Herren- und Heldenbewusstsein, das erst macht das Ganze seiner Anziehungskraft aus" (Krockow, Die Deutschen in ihrem Jahrhundert).

Radikale politische Romantik und Verherrlichung des modernen technologischen Fortschritts, Erntedank und Panzer können mühelos nebeneinander stehen.

Goebbels in seinem Tagebuch über die Wehrmachtsübungen des Jahres 1936:

"Ein ergreifender Zug den Berg herauf. Die Bauersleute umarmen ihn fast. Er ist unser aller Abgott.
Oben zuerst Erntekränze.
Dann tolle Wehrmachtsdarbietungen. Vor allem die Luftwaffe. Einzigartig! Großangriffe mit Tanks. Das ist hinreißend. Das Meckererdorf brennt. Dann krachen die Geschütze."

 
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Hitler spricht

Im Anschluss an die Gefechtsübung gehen Hitler und die Reichsminister den Weg hinunter "durchs Volk" zur unteren Tribüne. Hier stehen - eine Pyramide bildend - die Fahnenträger von SA und Reichsarbeitsdienst. Die Spitze der Pyramide bildet der "Führer".

Die Rednertribüne ist ein gutes Stück in die Ebene gerückt, um den Festteilnehmern gute Sicht zu gewähren. Der Block von Uniformierten schafft Respekt und Distanz. Vor Hitler redet Reichsbauernführer Darré.

Hitlers gut halbstündige Rede wird ständig von Beifallskundgebungen unterbrochen. Seine Rede bildet den Höhepunkt jedes Bückebergfestes.

Zitate aus Hitlers Rede von 1935

"Die Vorsehung hat es uns ermöglicht, in diesem Jahr nicht nur wirtschaftlich eine reiche Ernte einzubringen, sie hat uns auch noch mehr gesegnet: Erstanden ist uns wieder die deutsche Wehrmacht. Erstehen wird die deutsche Flotte. Die deutschen Städte und die schönen Dörfer, sie sind geschützt, über ihnen wacht die Kraft der Nation, wacht die Waffe in der Luft.
Weit darüber hinaus wollen wir aber noch für eine besondere Ernte danken: Wir wollen in dieser Stunde den Hunderttausenden und Hunderttausenden deutscher Frauen danken, die uns wieder das schönste gegeben haben, das sie uns schenken konnten: viel Hunderttausende kleine Kinder!"

Zitate aus Hitlers Rede von 1937

"Und doch sind Sie alle in diesem Augenblick nur ein Teil eines gesamten Größeren!
Glauben Sie: Wir stehen schwereren Aufgaben gegenüber als andere Staaten und andere Länder: zu viele Menschen auf einem zu kleinen Lebensraum, es mangelt an Rohstoffen, mangelt an Anbaufläche, und trotzdem: Ist Deutschland nicht schön? Ist Deutschland nicht trotzdem wunderbar? Lebt unser Volk nicht trotzdem so anständig? Mögen Sie alle mit irgend etwas anderem tauschen?
(Stürmische "Niemals"-Rufe der Massen)

Ich lasse Ihnen nicht umsonst hier bei jedem Erntedankfest die Übungen der Wehrmacht vorführen. Sie sollen Sie alle erinnern, dass wir hier nicht stehen würden, wenn über uns nicht Schild und Schwert Wache halten würden.
(Begeisterte Kundgebungen der Massen)

Wir haben keine Lust, mit irgend jemandem Händel anzufangen. Aber es soll auch jeder wissen: den Garten, den wir uns bestellt haben, den ernten wir auch allein ab, und niemand soll sich einbilden, jemals in diesen Garten einbrechen zu können! Das können sich die internationalen jüdischen Bolschewistenverbrecher gesagt sein lassen: wo immer sie auch hingehen - an der deutschen Grenze stoßen sie auf ein eisernes Stop!
(Langanhaltende begeisterte Zustimmung)."

 
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Der Abschluss der Feste

Nach dem Sieg-Heil auf den Führer, dem gemeinsamen Singen von Deutschlandlied und Horst-Wessel-Lied ist die Feier dann beendet.
Das Lied "Nun danket alle Gott" war nur 1933 gesungen worden.

1933, als das Fest am Abend lag, war es bereits dunkel geworden, als Hitler sprach. Scheinwerfer flammen auf, blutrot leuchtet das Fahnenrund, ein angedeuteter Lichtdom entsteht. Den Schluss bildet ein Feuerwerk.

Das Fest des Jahres 1933 endete im Chaos. Die Menschen fanden in der Dunkelheit nicht den Weg zu ihren Bahnhöfen.

In allen folgenden Jahren fand deshalb die Feier tagsüber statt, seit 1935 zwischen 12 und 14 Uhr. Den Abschluss der Feier bilden nun - wenig eindrucksvoll - Fallschirme, die Hakenkreuzfähnchen am Himmel entfalten.

 

Bericht eines Teilnehmers über den Abschluss des Festes 1933

"Früh wird es dunkel. Gewaltige Scheinwerfertürme erhellen den Bückeberg. Das Musikkorps intoniert 'Nun danket alle Gott' und aus Hunderttausenden von Kehlen klingt das Dankgebet über den Platz, den Berg, die weite Ebene. Es ist 7 Uhr. Aus dem Dunkel der Nacht kommt des Führers Stimme, tausendfältig verstärkt durch die Großlautsprecher. Ja, es war nicht nur die größte Kundgebung dieser Art, die jemals auf der Erde zur Ehre des Bauernstandes veranstaltet wurde, sondern auch die packendste. ... Ein Brausen und Toben ging über den Platz, ein Jubelsturm, den erst das Horst-Wessel-Lied unterbrach."

 
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